Deutsche Versandapotheken: Dominanz ausländischer Firmen?
Seit Ende 2018 gehört die in Worten ihres Betreibers fünftgrößte deutsche Versandapotheke der Zur Rose Gruppe. Und das trotz des in Deutschland gültigen Fremdbesitzverbots für Apotheken. Müssen sich deutsche Versandapotheken Sorgen machen?
Apo-Rot-Übernahme durch Zur Rose
Zur Rose bildet bereits den Mutterkonzern der e-Commerce-Plattformen Doc Morris, Zur Rose, Medpex, Eurapon und Vitalsana. Am 20. August schloss der Schweizer Konzern nun Apo-Rot in Hamburg an. Ziel sei es gewesen „weitere Synergien zu realisieren“ wie Apotheke Adhoc am 21. August 2019 berichtete. Seit August wird Apo-Rot unter dem Namen „Apo-Rot B.V.“ vom Geschäftssitz im niederländischen Heerlen aus geführt. Damit hat Zur Rose seine Ankündigung konsequent umgesetzt, die Versandgeschäfte der vormals deutschen Versandapotheke in die Niederlande zu verlagern. Die Hamburger „Apotheke am Rothenbaum“, bekannt als Kürzel Apo-Rot, hatte im Mai 2018 ein Kooperationsvertrag mit der niederländischen Onlineapotheke Doc Morris der Schweizer Zur Rose AG geschlossen.
Mit der Übernahme verkündete der Zur Rose Konzern noch, dass Doc Morris zusammen mit Apo-Rot „das bestehende Omni-Channel-Konzept ausbauen“ und weiterentwickeln werde. In der Mitteilung zu ihrer Loslösungsentscheidung hatte die vormalige Chefin Birgit Duemke erklärt: „Die Entscheidung sichert unseren stationären Handel, unsere Eigenmarken und unsere Partnerschaften mit fast 20 Apotheken.“ Optimistisch wurde proklamiert, dass die Hälfte der vormals 370 Mitarbeiter des Logistikzentrums in Hamburg-Bahrenfeld zu den Logistikzentren der Zur Rose-Gruppe nach Heerlen oder Bremen wechseln könnten. Über 80 Mitarbeiter der vormaligen Marketing- und Service-Teams sollten in Hamburg verbleiben können. Jüngst hatte der Pharmanachrichtendienst Apotheke Adhoc allerdings berichtet, dass der Hamburger Standort mit 80 Mitarbeitern ebenfalls stillgelegt werde.
Ehemalige Apo-Rot-Gründerin: Erheblicher Wettbewerbsdruck in Deutschland
Nach Angaben der Gründerin und vormaligen Inhaberin Birgit Duemke stand diese unter starkem Entscheidungsdruck, der sie zum Verkauf der Versandapotheke bewog. Laut einer Presseinformation vom 24. Mai 2018 sagte Birgit Duemke: „Der erhebliche Wettbewerbsdruck und eine Gesetzeslage, die deutsche Apotheker für ihren Betrieb persönlich und alleinig haftbar macht und damit im europäischen Wettbewerb benachteiligt, haben mich zu diesem Schritt veranlasst“. In Deutschland wird für jedes stationäre und teilstationäre Apothekenunternehmen mit der Gründung der Inhaber als „eingetragener Kaufmann“ haftbar gemacht.
Wie geht’s für den deutschen Markt weiter?
Der deutsche Arzneimittelmarkt ist für ausländische Konzerne offenbar äußerst anziehend. Schließlich bietet Deutschland den größten Versandmarkt im europäischen Kontext. In den letzten Jahren expandierte Zur Rose hierzulande ebenso sichtlich wie die Shop Apotheke Europe. Nach der Übernahme von Eurapon aus Bremen, hatte der Konzern neben Apo-Rot und schließlich auch Medpex aus Ludwigshafen hinzugekauft. Dabei verleiben sich die ausländischen Versandkonzerne teilweise die strategischen Konzepte der Vorbesitzer ein, wie im Falle des Omni-Channel-Konzepts und Click-und-Collect-Systems Apo-Rots. Das Fremdbesitzverbot wird damit umschifft, dass die ausgewiesenen Inhaber in Deutschland ansässige Apotheker bleiben. Ziel ist es in eigenen Worten von Zur Rose die Vorteile der deutschen Versandapotheken „auf den gesamten Kundenstamm von Doc Morris“ auszudehnen.
Die Zur Rose Group, die 2018 erstmals die 1 Milliarde Euro Umsatzschwelle überschritt, hat nicht nur den deutschen, sondern auch den europäischen Arzneimittelmarkt im Blick. Nach Angaben von der DAZ.online möchte CEO Walter Oberhänsli mithilfe des E-Rezepts den Umsatz von Doc Morris auf 2,2 Millionen Euro verdoppeln. Oberhänsli peile demnach an, jedes 10. Rezept auf dem deutschen Apothekenmarkt durch Doc Morris zu beliefern. Dafür betreibt er eine aggressive Preisnachlasspolitik: In seiner jüngsten Onlinerepräsentation wirbt er damit, dass seine Produkte für den Kunden im RX-Bereich um 12 Prozent günstiger, im OTC-Bereich um 40 Prozent günstiger als im stationären Handel seien.
Weitere Pläne der europäischen Versandriesen Doc Morris und Shop Apotheke
Auf dem deutschen Markt will sich Zur Rose einerseits auf Integration und Synergie, andererseits auf den Handel mit E-Rezepten fokussieren. In der Schweiz plant die Zur Rose Gruppe sich mithilfe von Omni-Channel-Marketing und Versicherungskooperationen durchzusetzen. Ab 2019 soll sich seiner bisherigen Marktführung in Deutschland, der Schweiz und Spanien mit Docti Pharma der französische Markt hinzugesellen. Auch der zweitstärkste Player im europäischen Arzneimittelversand, die Shop Apotheke aus den Niederlanden, will seine Präsenz in Europa mit dem E-Rezept weiter ausbauen. Ulrich Wandel, Finanzleiter des Konzerns, hatte laut Handelsblatt.de davon gesprochen, dass das E-Rezepte ein „Game Changer“ auf dem deutschen Versandapothekenmarkt sei. Der Geschäftsführer der Sempora Consulting, Tobias Brodtkorb, hatte dort betont, dass Online-Apotheken durch das E-Rezept auch von freiverkäuflichen Zukäufen der Kunden profitieren würden.
Wie hält der deutsche Apothekenmarkt dagegen?
Viele Apotheken in Deutschland sehen die Chance zur Behauptung darin, sich zu einem Netzwerk zusammen zu schließen. Nach dem Motto: Viele kleine Fische sind stärker als der größte Hai. Klarer Standortvorteil für den stationären Apothekenmarkt in Deutschland ist die lokale Stammkundschaft und der Wegfall der Versand- und Logistikkosten. Dennoch haben viele Pioniere die enorme Bedeutung der digitalen Zukunft im Blick. Kürzlich sagte dazu Stephan Just, Vorstand und Gesellschafter der easy Apotheke AG in Düsseldorf im Interview mit der Plattform All About Retail: „Die engste Bindung haben wir durch den persönlichen Kontakt zu unseren Kunden in der stationären Apotheke, und das ist und bleibt auch unser Kerngeschäft.“ Just sieht die Zukunft der deutschen Apotheke in einer vernetzten Omni-Channel-Strategie: der Integration von Facebook-Aktionen, Abstimmung von stationären und digitalen Maßnahmen sowie einer zentralen Website für die stationären und Online-Apotheken.
Quellen:
Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.