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Die Debatte über Homöopathie

Kommentar schreiben Dienstag, 18. Dezember 2018

Mit der Homöopathie prügelt man doch nur auf den Schwächsten ein!“

 

In den Jahren 2013 und 2016 erlebte die Nachfrage nach Homöopathika in Apotheken einen regelrechten „Boom“. 2017 kam es dann zum ersten Rückgang. Doch warum polarisiert die Homöopathie in Deutschland derart in der Öffentlichkeit und in Apotheken? Ein Erklärungsversuch.

 

Laut Zahlen, die der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) dem Marktforschungsunternehmen IQVIA in Auftrag gab, stiegen Umsatz und Absatz von Homöopathika in den letzten Jahren konstant an.

 

Doch 2017 war ein schlechtes Jahr für die Homöopathie, legt man Zahlen des Marktforschungsunternehmens IQVIA zur Nachfrage in deutschen Apotheken zugrunde. Die apothekenweite Homöopathie machte im Jahr 2017 einen Absatz von rund 53 Millionen Packungen. Im Vergleich hierzu verkauften sich laut IQVIA im 2016 noch knapp 55 Millionen Homöopathika gemessen an ihrer abgegebenen Stückzahl.

 

Die leicht gesunkene Nachfrage im Jahr 2017 führen Experten darauf zurück, dass das Thema Homöpathie in der öffentlichen und wissenschaftlichen Debatte stark in Frage gestellt wurde. Kritiker bemängelten, dass die homöopathische Medizin keine Nachweise für ihre Wirksamkeit vorweisen können. Viele der Gegner formieren sich seit den 90er Jahren weltweit in der „Skeptikerbewegung“ und deutschlandweit seit 2016  im „Netzwerk Homöopathie“. Erklärtes Ziel der Gruppierungen ist es, über die sogenannte „Pseudowissenschaft“ der Homöopathie aufzuklären.

 

Befürworter der Homöopathie halten dagegen – schließlich gelte vielen Therapeuten und Medizinern noch immer der Satz „Wer heilt, hat Recht“ als grundlegend für ein Heilverfahren. Nach dem Motto: Wie etwas im Patienten wirkt, ist nicht von allzu großer Relevanz – wenn es ihm denn in der Hauptsache hilft.

 

Der Umgang mit Homöopathie zeigt sich in Deutschland schon herausragend“, bedauert Ursula Hilpert-Mühlig, Präsidentin des Fachverband Deutscher Heilpraktiker e.V.,die Debatten hierzulande über das Thema. Das Geburtsland der Homöopathie polarisiert beim Thema Homöopathie schon auffällig stark“, zieht sie ihr Resümee über die Entwicklungen der letzten Jahre.

 

Die beiden Pole der Debatten

 

Tatsächlich weiß bis heute kein Mediziner, warum genau eine Narkose wirkt. Bis heute existiert keine eindeutige Erklärung. Ähnlich verhält es aus Sicht der Befürworter auch mit anderen Bereichen der Medizin.

 

Sie konstatieren, dass die Medizin auch heute noch erheblich auf „Erfahrungswissenschaften“ basiere. Zum Glück, befinden die Freunde der Homöopathie, würde die Medizin auf zwei Sockeln stehen. Aus ihrer Sicht leidet die Medizin erheblich, wenn sie nur noch auf studienbasierte Ergebnisse zurückgreift.

 

In der Medizin gibt es für Hilpert-Mühlig bereits seit Hippokrates eine deutliche Spaltung zwischen einer materiellen und einer immateriellen Sichtweise. Dazu befindet Hilpert- Mühlig: „Die westliche Medizin heilte seit dem griechischen Arzt und Vater der Medizin Hippokrates längst nicht nur mit evidenzbasiert, sondern mit großem Erfolg auch mit weniger beweiskräftigen Verfahren.“

 

Was macht die Homöopathie aus?

 

Hilpert-Mühlig erklärt, dass Homöopathie "auf der Basis des Ähnlichkeitsprinzips" arbeite. Auf dieses Wirkprinzip kam Samuel Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, unerwartet und zufällig.Während einer Reise aß er den Wirkstoff Chinin aus der Chinarinde. Daraufhin bekam er Schüttelfrost und weitere Symptome eines Malariaanfalls. Das überraschte ihn so sehr, dass er an dieser Stelle weiterforschte. Das Prinzip der Informationsweitergabe eines Symptoms durch einen Wirkstoff, der zu ähnlichen Symptomen führt, begründete schließlich auch sein Heilverfahren.

 

Mit dem Wirkstoff bekommt der Patient die Symptome einer Krankheit, nicht jedoch die Krankheit selbst. Der Körper aktiviert dann seine Lebenskräfte, um die ersten Symptome der Krankheit zu bekämpfen“, veranschaulicht Hilpert-Mühlig als Präsidentin des Heilpraktiker-Fachverbands das Wirkprinzip der Homöopathie.

 

Samual Hahnemann blieb dran: Wie konnte man einzig die Information für eine Erkrankung an einen Patienten weitergeben, ohne den Erkrankungsauslöser selbst mitzugeben? Auf diese Frage fand er eine ebenso spaltende wie einzigartige Antwort: „Die Wirkweise der Homöopathie geht auf die Verfahrenstechnik, nämlich die Potenzierung und die Verschüttelung des Wirkstoffs, zurück“, erläutert Hilpert-Mühlig das Wirkverständnis Hahnemanns. „Wenn das nicht passiert, bleibt die Homöopathie wirkungslos“, erklärt sie die herstellungstechnische Bedingung ihrer Effektivität.

 

Während des Herstellungsprozesses von Globuli und Kügelchen müsse der Wirkstoff zwingend geschüttelt werden, um die Informationsweitergabe zu ermöglichen. Auch dies veranschaulicht Hilpert-Mühlig anschaulich: „1 Teil Wirksubstanz und 9 Teile Verdünnung bilden zum Beispiel die D1. Das Verschütteln dieser Anteile setzt die Wirkung der Substanz frei. Wo die Chemie sagt, da ist nichts mehr zu finden, sagen die klassischen Homöopathen, dass hier die Information noch einmal freigegeben wird“.

 

Das Problem der Beweisbarkeit

 

Beweisen kann man diese Form der Informationsübertragung nicht. Man könne zwar beweisen, dass ein Wirkstoff nicht nachweisbar ist, fasst Hilpert-Mühlig das Problem der Gegner zusammen, aber es ließe sich nicht beweisen, dass keine Information eines Wirkstoffs mehr da ist. „Denn eine Information kann man nicht messen“, sagt die Präsidentin des Fachverband Deutscher Heilpraktiker.

 

Interessant sei aus Sicht des Heilpraktikerverbands auch, dass sich die Quantenphysik prinzipiell sehr neugierig mit der Informationsebene auseinandersetzt. In der Quantenphysik gibt es einen Forschungsbereich, der sich mit der Übertragung von Eigenschaften zwischen materiellen Teilchen befasst, erläutert Hilpert-Mühlig. Auch habe Shakespeare bereits die Figur Hamlet eine tiefer Weisheit ausdrücken lassen: „Es gibt mehr Ding im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumt“. Ergo sei nicht alles, was nicht nachweisbar ist, auch tatsächlich nicht vorhanden.

 

Auch hier fällt Ursula Hilpert-Mühlig ein passender Vergleich ein: „Ähnlich verhält es sich auch mit der Seele – auch hier lässt sich materiell nicht beweisen, dass der Mensch eine Seele hat. Man kann nur durch Beobachtung und Befragung Erkenntnisse sammeln und damit indirekt auf das Dasein der Seele schließen“:

 

Was sagt die Wissenschaft?

 

 

Die Studienlage zeigt sich ebenso ambivalent. Inzwischen existieren zwei gut designte Studien zur Wirkung von homöopathischen Mitteln: eine zu Calmvalera Hevert, das gegen nervöse Störungen eingesetzt wird, die andere zu Sinusitis Hevert, das gegen Entzündungen im Nasenbereich angewendet wird.

 

Beide Studien waren randomisiert, doppelblind und placebokontrolliert und wurden von als eigene Studien von Hevert in Auftrag gegeben. Die Studie von Dimpfel et al. zu Calmvalera Hevert belegte einen schnellen Wirkeintritt innerhalb von 90 Minuten. Getestet wurden im Jahr 2016 gesunde Probanden mit Prüfungsangst. Bei der Sinusitis Hevert Studie aus 2017 zeigte sich Sinusitis Hevert nicht überlegen, sagt Professor Dr. Andreas Michalsen: „ Es zeigte sich in dieser Studie bei akuter Rhinosinusitis und hoher Placebo-Ansprechrate keine Überlegenheit für Sinusitis Hevert SL in der Gesamtresponder- und Remissionsrate. Es fand sich ein Nutzen von Sinusitis Hevert SL in der Auswertung der Valid Completers für die Response sowie für spezifische Verbesserungen klinisch relevanter Symptome und die Abheilungsgeschwindigkeit der akuten Rhinosinusitis bei guter Verträglichkeit.“

 

Mit diesen Ergebnissen dürften sich beide Lager der Befürworter und Gegner bis auf Weiteres bestätigt sehen.

 

 

 

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Maria Köpf
Autor: Maria Köpf

Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.

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