Einmal impfen bitte!
Impfungen in der Apotheke? Ist das ein gangbares Modell? Grippeschutzimpfungen in der Apotheke könnten die Möglichkeit bieten die Impfquote in Deutschland zu verbessern, Folgeerkrankungen zu vermeiden und dadurch die volkswirtschaftlichen Kosten zu minimieren. So die Theorie - doch wie sehen die Meinungen dazu in Deutschland aus? Und wie könnte die Praxis aussehen?
Befragte Apotheker stehen der Thematik eher kritisch gegenüber
Das Umfragepanel Aposcope führte am 10. April 2019 eine Umfrage unter 201 Apothekern durch, die sich aus 55 Inhabern, 45 Filialleitern und 101 angestellten Apothekern zusammensetzte.
Das Résumé fiel recht deutlich aus: rund 60% der befragten Filialleiter und angestellten Approbierten stehen dem Impfen durch den Apotheker kritisch gegenüber und wollen demnach keine Impfungen anbieten. Die Landesapothekerkammer Brandenburg sprach sich bereits im November 2018 gegen den Vorschlag des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) aus, Impfungen in Apotheken zu ermöglichen.
Und auch im direkten Gespräch mit Kollegen wird klar: wohl fühlen sich in diesem Aufgabenfeld nicht alle. Oft sind es räumliche Bedenken und die Angst vor Komplikationen, die angeführt werden. Die meisten Apotheker sehen sich eher in beratender Funktion und betrachten eine Zusatzausbildung als zwingend erforderlich, die wiederum mit Kosten und Zeitaufwand verbunden ist. Befürwortende Approbierte plädieren dafür, akute Grippeimpfungen und Auffrischungen bei Erwachsenen für höhere Durchimpfungsraten in die Hände des Apothekers zu legen. Impfungen an Kindern oder Reiseimpfungen würden diese Kollegen jedoch weiterhin im Zuständigkeitsbereich des behandelten Arztes belassen.
Auch Vertreter der Ärzte sprechen sich gegen eine Impfung in Apotheken aus
Die Aposcope-Umfrage zeigte ebenfalls, dass fast alle befragten Apotheker es für sehr wahrscheinlich halten, dass es durch diese Dienstleistung zu Konflikten mit Ärzten kommen könnte. Dass diese Befürchtung nicht ganz unberechtigt ist, zeigt die Rede des Präsidenten der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages, Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, zur Eröffnung des Deutschen Ärztetages im vergangenen Mai in Münster. Auf gar keinen Fall dürfe die Verantwortung für das Impfen auf andere Berufsgruppen übertragen werden. „Impfen ist nicht einfach nur ein Pieks in den Arm“, so Montgomery. Impfen gehöre somit in ärztliche Hand.
Diese Aussage deckt sich mit dem Ergebnis einer Befragung der deutschen Ärztezeitung in Kooperation mit dem Bundesverband der Arzneimittelhersteller e.V. (BAH) Anfang 2018: nur 28% der befragten 540 Ärzte befürworten Impfungen in der Apotheke.
Die deutsche Bevölkerung ist geteilter Meinung
Auch die Deutschen wurden im Auftrag des Bundesverband der Arzneimittelhersteller e.V. (BAH) 2017 befragt. Ein Impfangebot in Apotheken fänden 43% der interviewten Personen sinnvoll. Die Befürworter sehen darin mehrheitlich eine deutliche Zeitersparnis und würden speziell weitergebildetem Personal vertrauen.
Die Schweiz zeigt, dass Impfen in der Apotheke sehr positiv angenommen wird
Doch was unter deutschen Apothekern und Ärzten eher ablehnend diskutiert und von der Bevölkerung kritisch betrachtet wird, findet in anderen Ländern schon jahrelang Anwendung.
Seit 2015 darf in der Schweiz unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen in Apotheken geimpft werden. Die Apotheker müssen hierfür den speziellen Fähigkeitsausweis „FPH Impfen und Blutentnahme“ (FPH=Foederatio Pharmaceutica Helvetiae) vorweisen. Mittlerweile ist dieser Bestandteil des Pharmaziestudiums: Approbierte, welche die Impfkompetenz nicht im Studium erlangt haben, können diese durch eine Weiterbildung erwerben. Das angeeignete Wissen muss alle zwei Jahre durch akkreditierte Fortbildungen aufgefrischt werden. Ansonsten droht ein Entzug der Erlaubnis. Neben dem zeitlichen Engagement ist die Erlangung der Impfbefähigung aber auch mit nicht unerheblichen finanziellen Kosten verbunden.
Einen praktischen Einblick in den Berufsalltag gibt ein Interview der DAZ.online mit Pharmama, einer bloggenden und impfenden Schweizer Apothekerin. Sie schildert, dass Kunden in der Regel ohne Termin in die Apotheke kommen können und direkt geimpft werden, wobei dieses Vorgehen jede Apotheke individuell handhabt. Räumliche Voraussetzungen seien lediglich ein Stuhl oder eine Liege, um Patienten gegebenenfalls hinlegen zu können. Adrenalinpens, Beatmungsmasken und kantonsabhängig eine Sauerstoffflasche seinen ebenfalls erforderliche Ausstattungsdetails. Auf die Frage, was im Falle einer akuten Impfreaktion in der Apotheke passiert, verweist sie auf die gute Vorbereitung durch die Weiterbildungsinhalte.
Im Falle eines anaphylaktischen Schocks wird demnach in Apotheken genauso verfahren wie in der Arztpraxis: Patient hinlegen, Adrenalin verabreichen, den Rettungsdienst kontaktieren und bis zu dessen Eintreffen den Kreislauf aufrecht erhalten. Glücklicherweise komme diese Reaktion wirklich nur sehr selten vor und bei der Aufklärung vor der Impfung wird meist schon deutlich, ob es in der Vergangenheit Probleme bei Impfungen gab und diese demnach unter ärztlicher Beobachtung stattfinden sollten. Sie beschreibt, dass das Vertrauen der Schweizer Bevölkerung in den Apotheker groß sei und das Impfangebot in Apotheken sehr gut angenommen wird. Und auch von der Schweizer Apothekerschaft habe sie bisher eher wenig negative Resonanz gehört.
Das Beispiel Schweiz zeigt, dass das Thema Impfen in der Apotheke auch in Deutschland durchaus Anwendung finden könnte. Die theoretische und praktische Umsetzung liegt nun in den Händen von Politik, sowie Ärzte- und Apothekerverbänden. Und letztendlich muss dann jeder Apotheker für sich persönlich entscheiden, ob er impfen möchte.
Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/impfen-in-der-apotheke-unerwuenscht/
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/apothekenpraxis/apotheker-gefragt-wollt-ihr-ueberhaupt-impfen-aposcope/
Linda Künzig, Apothekerin mit Weiterbildungen im Bereich Homöopathie und Naturheilverfahren. Neben ihrer Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke unterstützt sie seit Mai 2019 die Apomio-Redaktion als freie Autorin.