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Erfolgskurs ahoi! Mit welchen Strategien Versandapotheken und Apotheken punkten

Kommentar schreiben Dienstag, 20. November 2018

Wie können sich Versandapotheken voneinander differenzieren? Bisher beruht gerade hier „das gewisse Etwas“  auf Preisbildung, Boni oder Nachlässen bei den Lieferkosten. Doch glaubt man aktuellen Umfragen und Experten, entscheiden auch andere Faktoren darüber, ob sich Versandapotheken langfristig behaupten werden.

 

Die generische Strategie, dass sich hauptsächlich drei Wettbewerbsmöglichkeiten auf dem Markt behaupten, wurde bereits 1983 vom US-Ökonom Michael Eugene Porter formuliert. Ihmzufolge entscheiden sich Unternehmen hauptsächlich für drei Strategien: Sie streben die Kostenführerschaft, die Nischenbildung oder die Differenzierung an.

 

Als Mit-Wettbewerber stehen den Versandapotheken und Apotheken die Drogerien und inzwischen auch Supermärkte gegenüber“, analysiert der diplomierte Betriebswirt die Situation auf dem Apothekenmarkt. Als Fazit der Marktbetrachtung stellt der IQVIA-Experte heraus: „Eine Apotheke kann letztlich immer nur eine Differenzierungsstrategie fahren“. Nur mittels individueller Unterschiede könne sich eine Apotheke von anderen Wettbewerbern abheben.

 

Nach meinem Empfinden und der des Experten Jan Tittelbach kann es auf dem Apothekenmarkt keine Discounterstrategie geben“, erläutert Frank Weißenfeldt, Associate Director im Bereich External Affairs & Strategic Partners bei IQVIA, gegenüber apomio. Als Gründe nennt er die Qualität des Personals und das Zeitniveau für die Beratung von Medikamenten sowie die Tatsache, dass sich Apotheken nicht wie Aldi oder Lidl auf wenige Artikel konzentrieren können.

 

Wenn man beobachtet, welche Apotheken am erfolgreichsten sind, fällt auf, dass sie sich hinsichtlich Verfügbarkeit, Wohlfühlfaktor und fester Verankerung im Alltag voneinander unterscheiden.“

 

Erfolgsfaktor Nummer 1: Die Verfügbarkeit

 

Das Thema Verfügbarkeit zeigt sich momentan in Umfragen als Wettbewerbsfaktor Nummer eins. So analysierte das Berliner Marktforschungsunternehmen POS pulse 700 Studienteilnehmer. Dabei gaben 80 Prozent der Befragten an, dass es für sie bei der Apothekenwahl hauptsächlich auf die Lage ankomme.

 

Als zweiter Hauptgrund landete die „Beratung durch die Apotheke“ mit 34 Prozent auf Platz zwei und „Wohlfühlfaktor in der Apotheke“ mit 28 Prozent auf Platz drei der aufgeführten Argumente für eine spezifische Apotheke. Damit schlägt die Verfügbarkeit des Produkts für die Apothekenwahl inzwischen sogar seine Beratung.

 

Verfügbarkeit“ bedeutet im Apothekensegment die Konzentration auf zwei Ausrichtungen – die Öffnungszeiten und den Lieferservice. „Hier fällt das Beispiel der Dachmarke der Berlin-Apotheken auf, die beides haben, extrem attraktive Öffnungszeiten die dortige Start-Up-Szene bedienen, aber auch einen sehr starken Lieferservice mit eigenen Autos“, macht Weißenfeldt deutlich. Hier könnten sich Apotheken bereits bestehender Modelle bedienen – etwa einer Plattform ähnlich Lieferando oder Lieferheld, die das Arzneimittel nach Hause befördern. „So zeigt sich die Plattform Pillentaxi.de im Kölner Apothekenraum sicherlich am fortschrittlichsten“, betont der Berater.

 

 

Versandhandelsapotheken können zwar kein „daily delivery“ im Sinne einer tagesgleichen Belieferung ähnlich wie die Vor-Ort-Apotheken bieten, doch orientieren sie ihre Strategie bereits flächendeckend am Erfolgsgaranten „Verfügbarkeit“. „Auch eine Belieferung innerhalb von 1 bis 2 von Werktagen kann sich beim Kunden sehen lassen - denkbar ist zukünftig, dass Versandapotheken mit Kooperationen wie dem Pillentaxi oder mit Vor-Ort-Apotheken in Kontakt treten“, findet Frank Weißenfeldt. „Solche Mischformen kennen wir bereits durch das erfolgreiche Unternehmen Aporot, das sowohl Versandapotheke als auch Apothekenkette in Norddeutschland ist.“ Gespannt sei er, was die Kombination „Offline- und Onlinewelt“ zukünftig ergebe.

 

Die Preisbildung und das Branding

 

Als weitere individuelle Profilierung nennt Weißenfeldt neben dem Lieferservice das Preiskonzept und Eigenmarken. Die Differenzierung sei im Versandhandekl natürlich schwieriger, denn hier können Kunden die Preise besser vergleichen. „Der Kunde, der in den Versandhandel geht, ist tendenziell preisorientierter“, sagt Weißenfeldt.

Hinsichtlich der Preisbildung müsse man jedoch vorsichtig sein: „Natürlich kann ich auch als Apotheke oder Versandapotheke bspw. eine Eigenmarke als günstige Alternative anbieten – das gibt es auch im OTC-Bereich. Aber ich wäre damit sehr vorsichtig. Denn die Erfahrung etwa im Mineralwasser- und Softdrinksegment im Lebensmitteleinzelhandel ist, dass Eigenmarken ein vorhandenes Produktsortiment oder eine ganze Kategorie nach unten bewegen können“, sagt der IQVIA-Experte. Das könne den Preisen massiv und auf Dauer schaden.

Im Apothekenmarkt sollten Eigenmarken grundsätzlich immer als Möglichkeit zur Differenzierung gewählt werden. „Wie etwa Frau Ottowitz in der Edelweiß-Apotheke in Österreich, die eine eigene Phyto- und Kosmetiklinie und entsprechende Beratung anbietet. Generell können dann gut profilierte Apotheken mit herausragendem Service immer auch von einer Eigenmarke profitieren“, so der Berater.

 

Der Erfolgsfaktor „Wohlfühloase“

 

Den „Wohlfühlfaktor“ für ihre Kunden können Versandapotheken und Apotheken laut Weißenfeldt durch Beratung und Contents stärken. In diesen Bereich spielen nicht nur das Layout der Versandhandelsapotheke und die Bedienbarkeit beim Kaufprozess hinein. Auch ansprechend und packend gestaltete Contents, Blogs zu gefragten Themen wie Entspannung oder Depressionen oder Boni bedienen die Emotionen beim Kauf.

 

Nicht ohne Grund werben große Versandhandelsapotheken besonders mit Lieferkostenvergünstigungen: Wenn der Warenkorb mit 20 bis 40 € Warenwert gefüllt wird, reduzieren oder ersparen sich beispielsweise Versandkosten. Wenn Neukunden geworben werden, erhalten Kunden einen Bonus. Und bei jeder Bestellung über 10 € erhalten sie Proben oder die Umschau“, verdeutlicht Weißenfeldt den Zusammenhang.

 

Der Erfolgsfaktor „Verankerung im Alltag“

 

Neun von zehn Internetnutzern verwenden Messenger“, so eine Pressemitteilung des Bitkom Digitalverbands im Mai 2018. Ein Alltag ohne Messenger ist kaum noch denkbar.

 

Whatsapp und Facebook Messenger benutzt beinahe jeder zwischen 14 und 29 Jahren. Und bereits über ein Drittel der über 65-jährigen. Das bedeutet, dass Versandapotheken über diese Kanäle eine äußerst hohe Reichweite erzielen können.

 

Auch auf das richtige Pferd hinsichtlich des Bestellsystems zu setzen, kann über die Höhe der Umsätze entscheiden. Laut einer Studie im Auftrag des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel e.V. (bevh) Ende 2017 hat das Bestellsystem „Click & Collect“ künftig ein großes Potenzial für den elektronischen Handelsweg.

 

Für die representative Umfrage wurden knapp 1.000 Teilnehmer zwischen 18 und 69 Jahren befragt. Das Ergebnis: fast 60 Prozent der Umfrageteilnehmer nutzten bereits die Möglichkeit, Ware online zu kaufen und im Geschäft abzuholen. Dies bedient den Wunsch nach schneller Verfügbarkeit, geringen Versandkosten und flexiblem Einkauf von Medikamenten – simultan mit Lebensmitteln und täglichem Bedarf.

 

Für den Händler bedeuten gebündelte Lieferprozesse in Läden oder nach Hause selbstverständlich logistische und finanzielle Einsparungen. Und bei ökologisch orientierten Kunden kommen solche Optionen gut an. Einziger Pferdefuß solcher Varianten ist der finanzielle Aufwand. Denn extra kosten darf „Click & Collect“ nicht: 83 Prozent der Befragten lehnen den Kaufweg bei Zusatzkosten ab.

 

Bedeutend ist dabei offenbar auch die Bezahlart. 63 Prozent der Befragten würden laut der Studie des bevh häufiger via „Click & Collect“ bestellen, wenn „Kauf auf Rechnung“ gewählt werden dürfte.

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Maria Köpf
Autor: Maria Köpf

Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.

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