Exklusivität Adé: Patentabläufe 2020
Nach Angaben des Daten- und Informationsdienstleisters Insight Health erlischt im Jahr 2020 der Patentschutz für 18 Arzneistoffe. Nach einer Auswertung der firmeneigenen internationalen Datenbank für Patente (SHARK) sind die Einsatzgebiete auf verschiedenste Indikationen verteilt. Neben Arzneimitteln zur Krebsbehandlung betrifft dies auch Substanzen, die bei Multipler Sklerose, rheumatoider Arthritis oder bei der Behandlung von Schmerzen angewendet werden. Wie auch in den vergangenen Jahren sind auch 2020 einige Biosimilars vertreten - ein Markt der auch in Zukunft eine immer größer werdende Rollen spielen wird.1
Inhaltsverzeichnis:
- Vier der fünf umsatzstärksten Substanzen sind genetisch hergestellt
- Biologicals generieren lohnende Umsatzpotenziale für Generikahersteller
- Patienten können von Generika und Biosimilars profitieren
- Roche setzt auf Neuentwicklungen zum Verlustausgleich
Vier der fünf umsatzstärksten Substanzen sind gentechnisch hergestellt
Dem Generikamarkt stehen 2020 dann knapp 1,13 Milliarden Euro Umsatz zusätzlich zur Verfügung. Bei der Verteilung in den einzelnen Klassen des Anatomisch-Therapeutisch-Chemischen Klassifikationssystems (ATC-System) liegt ein klarer Fokus auf den Gruppen der Antineoplastika und Immunmodulatoren sowie des Nervensystems. Acht der Patentabläufe finden sich in diesen beiden ATC-1 Klassen und machen 70% des Umsatzes aus. Auffällig ist außerdem, dass vier der Top 5 Substanzen gentechnisch hergestellt werden.1
Platz 1: Bevacizumab
Auf Platz eins befindet sich Bevacizumab, ein monoklonaler Antikörper der Firma Roche. Das Zytostatikum findet seinen Einsatz in Kombination mit einer Chemotherapie bei unterschiedlichsten Tumorerkrankungen. Auf Bevacizumab fallen mit 333 Millionen Euro knapp 30 Prozent des Umsatzvolumens aller Patentabläufe 2020.
Bereits jetzt warten zwei Biosimilars nach Ende des Patenschutzes auf ihren Einsatz: Mvasi der Firma Amgen und Pfizers Zirabev. Beide wurden durch die Europäische Arzneimittel Agentur EMEA schon zugelassen - weitere Biosimilars werden zum Ablauf des Patents Mitte Juni 2020 erwartet.1
Platz 2: Eculizumab
Mit einer Umsatzbeteiligung von 17 Prozent folgt an zweiter Stelle laut Insight Health Eculizumab (Soliris). Das Therapeutikum der Firma Alexion dient zur Behandlung der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie, einer sehr seltenen, genetisch bedingten Erkrankung blutbildender Zellen mit lebensbedrohlichem Verlauf.1
Platz 3: Tocilizumab
Nach Umsatzanteilen an dritter Stelle liegt Tocilizumab (Roactemra), ebenfalls aus dem Hause Roche. Der monoklonale Antikörper wird als Immunsuppressivum vorwiegend bei rheumatoider Arthritis angewendet und generiert rund 16 Prozent des Umsatzes.1
Platz 4: Tapentadol
Auf Platz vier der in 2020 aus dem Patentschutz entlassenen Arzneistoffe liegt das opioidhaltige Analgetikum Tapentadol (Palexia) des Pharmaherstellers Grünenthal. Es ist das einzige Arzneimittel im Top 5 Ranking, das nicht gentechnisch hergestellt wird. Das momentan noch mit einem Grundpatentschutz versehene Betäubungsmittel findet seinen Einsatz bei mäßig starken bis starken Schmerzen. Tapentadol war bei seiner Markteinführung Ende 2010 seit 25 Jahren der erste neue Wirkstoff, der für die orale Therapie oben genannter Schmerzformen zugelassen wurde, und ist es auch bis zum heutigen Zeitpunkt geblieben.2
Platz 5: Natalizumab
Schlusslicht der Top 5 Substanzen bildet Natalizumab (Tysabri) von Biogen. Mit knapp 11 Prozent Umsatzvolumen wird der monoklonale Antikörper zur Therapie bei speziellen Verläufen der Multiplen Sklerose und Morbus Crohn eingesetzt.2
Biologicals generieren lohnende Umsatzpotenziale für Generikahersteller
Die Analyse der Patentabläufe macht deutlich, dass auch in 2020 insbesondere bei den Biologicals lohnende Umsatzpotenziale für Generikahersteller zu erwarten sind. Ähnlich wie in den Vorjahren profitieren besonders rheumatologische und onkologische Patienten von der Marktpenetration mit Biosimilars.
Insight Health analysierte auf Grundlage des Panels Patient INSIGHTS in der Vergangenheit die Marktentwicklung nach Biosimilar-Markteintritten. Hierzu wurden die anonymisierten Therapiehistorien von 47 Millionen Patienten herangezogen.
Im Falle der Biosimilars Etanercept (Enbrel) und Infliximab (Remicade) stiegen die Patientenzahlen nach Ablauf des Patentschutzes signifikant. Beide werden ähnlich wie Adalimumab (Humira) bei rheumatischen Krankheitsbildern eingesetzt. Nach Markteintritt des ersten Biosimilars für Etanercept Anfang 2016 stieg die Zahl der damit Therapierten um 20% an (Stand Januar 2018). Bei Infliximab ließ sich innerhalb von drei Jahren ein Anstieg von 80% nach Einführung des Biosimilars beobachten. Laut Insight Health liegt der Grund für die Entwicklung in erster Linie in der wachsenden Zahl von Erstverordnungen. Erkrankte mit einer solchen Verordnung erhielten schon einige Monate nach der Markteinführung häufiger ein Biosimilar als das Originalpräparat. Die Verschreibenden scheinen also die Empfehlung der Krankenkassen, bei einer Neuverordnung ein günstigeres Biosimilar zu wählen, verstärkt in Betracht zu ziehen.3
Patienten können von Generika und Biosimilars profitieren
Patienten können von einer Marktausweitung profitieren sobald Generika und Biosimilars verfügbar sind. In vielen Fällen macht sich ab diesem Zeitpunkt ein Anstieg der insgesamt verordneten Therapeutika mit dem aus dem Patenschutz fallenden Wirkstoff bemerkbar. Begründet wird dieser unerfüllte medizinische Bedarf unter anderem mit den hohen Kosten und dem daraus resultierenden eingeschränkten Einsatz von Therapien mit patentgeschützten Originalpräparaten. Erst die Verfügbarkeit von Biosimilars und Generika deckt diesen „unmet medical need“.4 Im Falle von Adalimumab können so bislang konservativ therapierte Betroffene mit rheumatischen Erkrankungen eine Biologika-Therapie erhalten und einen Nutzen aus den Biosimilars ziehen.3
Dass Generika generell auf dem Vormarsch sind, zeigt auch eine Auswertung des Vereins Pro Generika: von 100 Patienten, die mit Arzneimitteln behandelt werden, erhalten rund 78 Patienten ein Generikum.4 Noch deutlicher wird diese Entwicklung im Bereich Antibiotikatherapie: hier wird die Versorgung fast vollständig durch Generikahersteller sichergestellt. Knapp 34 Millionen der insgesamt rund 36 Millionen systemischen Antibiotika-Verordnungen waren im Jahr 2017 Nachahmerpräparate. 5
Roche setzt auf Neuentwicklungen zum Verlustausgleich
So positiv die Entwicklung auf dem Generikamarkt für Patienten und die entsprechenden Hersteller sein mag, so negativ schlägt sich diese Entwicklung auf die Umsätze der Originalproduzenten nieder. Roche drohen nun erneut Umsatzeinbuße, nachdem in den letzten zwei Jahren bereits Patente für Trastuzumab (Herceptin) und Rituximab (Mabthera) abliefen. Dennoch vertritt Roche den Standpunkt, dass kostengünstigere Nachahmerpräparate einen Beitrag zur nachhaltigen Gesundheitsversorgung leisten können. Der Konzern kündigte gegenüber dem „Handelsblatt“ an, die Verluste durch Patentabläufe auch in Zukunft mit Neuentwicklungen abfangen zu wollen. Demnach könne der Basler Pharmahersteller eventuell noch in diesem Jahr die Zulassungen für zwei Wirkstoffe erhalten, die eine Therapie mit Trastuzumab beziehungsweise Rituximab übertreffen könnten.6
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Linda Künzig, Apothekerin mit Weiterbildungen im Bereich Homöopathie und Naturheilverfahren. Neben ihrer Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke unterstützt sie seit Mai 2019 die Apomio-Redaktion als freie Autorin.