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Faktencheck: Medizinal-Cannabis und CBD-Öle

Kommentar schreiben Dienstag, 29. September 2020

In der Arzt- und Apothekerschaft treten beim Thema „Cannabis und Cannabidiole“ in den letzten Jahren verschiedene Sichtweisen auf. Mythen und Hörensagen lässt sich nur mit handfestem Wissen entgegentreten. Das wichtigste Faktenwissen zu Medizinal-Cannabis und CBD-Ölen im Überblick. Hätten Sie es gewusst?

 

Inhaltsverzeichnis

 

Wachsende Cannabisumsätze bei spezialisierten Apotheken

 

„Während unsere Apotheke im Jahr 2017 anfänglich noch 20 Patienten mit Cannabis-Rezepturen belieferte, sind es heute bis zu 1000 Rezepte im Monat“, sagte der Pharmezeut einer Apotheke im Raum Köln-Bonn, deren Standbein unter anderem die Abgabe von Medizinal-Cannabis geworden ist.1 Die Therapie mit Medizinalcannabis erfährt aus seiner Sicht in Deutschland wachsenden Zuspruch. Wohlgemerkt hatte seine Apotheke sich auf einen Schwerpunkt mit Cannabis eingelassen und gleich zu Einführung des Medizinal-Cannabis im Jahr 2017 kein Neuland gescheut.

 

Anders sieht aus seiner Sicht allerdings die Therapie mit CBD-Ölen aus. Solche Rezepte sähe er in seiner Apotheke relativ selten: „Zu uns kommen vielleicht 5 Patienten im Monat, die einen CBD-Extrakt oder CBD-Blüten bekommen“, erläutert der belesene Naturwissenschaftler im Gespräch. „Beim CBD-Öl nach NRF ist es gerade ein Patient, der dies erhält“, ergänzte er im Gespräch mit apomio.2

 

Zahlen und Fakten zu Cannabis-Rezepturen

 

Das deckt sich mit Angaben des ABDA-Faktenblatts zum Thema Rezepturarzneimittel mit Cannabis. Nach Zahlen des GKV-Spitzenverbands wurden im Jahr 2018 über 267.000 Verordnungen mit Cannabis-haltigen Zubereitungen, cannabishaltigen Fertigarzeimitteln und unverarbeiteten Cannabis-Blüten gelistet. Im Jahr 2018 waren es mit 185.000 noch knapp 80.000 weniger.3 Im vergangenen Jahr betrug der Rezeptumsatz mit Medizinal-Cannabis laut der Deutschen Welle 120 Millionen Euro. Wie DW-online herausstellte, besitzen inzwischen über 50 Unternehmen eine Importerlaubnis. Der Wettbewerb im Bereich Medizinal-Cannabis spitze sich demnach zu.4

 

Wofür ist Medizinal-Cannabis zugelassen?

 

Nach dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wurden Cannabis-Präparate seit 10. März 2017 bis Ende Mai 2019 in Deutschland überwiegend gegen Schmerzen und Spastiken verordnet.5 Nach wie vor gestaltet sich die Studienlage zur medizinischen Anwendung der ABDA zufolge uneinheitlich.6 Für die Anwendung von Cannabis sowie Cannabinoiden gegen Spastiken durch Multiple Sklerose, Krebsschmerzen und chronisch-neuropathische Schmerzen gibt es genügend Evidenzen. Bei Chemotherapie-induzierter Übelkeit und Erbrechen sind die Evidenzen moderat. Geringe bis keine Evidenz zeigte sich sowohl für Cannabis und Cannabinoide bei chronischen Schmerzen durch Rheuma, HIV-bedingtem Appetit- und Gewichtsverlust, Angststörungen, Posttraumatischem Stressyndrom, Tourette-Syndrom und Psychosen.7

 

Rezeptablauf und Rezeptausstellung

 

Die Krankenkasse muss zunächst genehmigen, dass ein Arzt seinem Patienten ein Cannabisrezept ausstellt. Anschließend können Apotheken entsprechende Rezepturarzneimittel herstellen. Patienten zahlen eine Zuzahlung in Höhe von 10 Prozent des Arzneimittelpreises, maximal jedoch 10 Euro je Präparat. Zur medizinischen Anwendung werden Cannabisblüten „nach vorherigem Erhitzen in speziellen Verdampfern inhaliert oder als wässriger Tee getrunken“. Diese Rezept-Arzneimittel erstatten die Krankenkasse.8 Wird ein Rezept über Cannabisblüten eingelöst, müssen diese unter Angabe der betreffenden Sorte zur Spezifizierung verordnet werden - wegen der unterschiedlichen Gehalte an THC und CBD je nach Blütensorte. „Eine reine Wirkstoffverordnung unter Angabe des THC-Gehalts ist nicht zulässig“, so das Deutsche Apotheken Portal. Cave auch Höchstmengenverordnungen, z.B. bei Blüten binnen 30 Tagen höchstens 100g (=100.000mg).9

 

Preisbildung von Cannabis-Rezepten

 

Der GKV-Spitzenverband und DAV vereinbarten folgende Preisbildung: Seit 01.03.2020 gelten neue Abrechnungspreise für Abgabe sowie Zubereitung von medizinischem Cannabis (getrocknete Blüten, Extrakte und Dronabinol).10 Die ABDA erläutert zu Preisen für Cannabisblüten und Cannabisextrakte: „Der zuvor geltende prozentuale Zuschlag auf die verwendeten Stoffe wurde durch einen Fixzuschlag bei der Preisbildung für Cannabisblüten und durch einen modifizierten prozentualen Zuschlag bei der Preisbildung für Cannabisextrakte in Zubereitungen und für Dronabinol ersetzt.“11

 

Für Cannabisextrakte bleibt die Preisbildung wie bislang eine Mischform aus prozentualen und Fixzuschlägen. Verpackungen werden zusätzlich wie üblich mit 90- beziehungsweise 100-prozentigem Zuschlag taxiert. BTM-Dokumentation, Einkaufspreise und Zuschläge für Hilfsstoffe, der Festzuschlag von 8,35 Euro und der RX-Zuschlag werden wie gewohnt taxiert.12

 

Was ist legal, was illegal in Deutschland?

 

Für medizinische Zwecke werden prinzipiell die Cannabinoide und Terpene beziehungsweise Terpenoide genutzt. Zu den wichtigsten Cannabinoiden gehören Delta-9-Tetrahydrogencannabinol (THC oder auch Dronabinol) und Cannabidiol (CBD). In Cannabispflanzen sind die Konzentrationen von Pflanze zu Pflanze und insbesondere von Sorte zu Sorte verschieden. Verfügbar sind Varietäten von Cannabisblüten.13 Bei der Nutzung von Cannabis wird das gewonnene Harz der Hanfpflanze vorzugsweise aus weiblichen Blüten – diese enthalten mehr THC – oder aber die getrockneten Blüten und Pflanzenspitzen verarbeitet „Abseits von medizinischen genutzten Produkten ist THC in Deutschland illegal, da es zu einem Rausch führen kann oder 'high' macht“, erklärte Professor im Oktober 2018 im Gespräch mit apomio. „Für Cannabis liegt laut Studien keine Indikation bei den Indikationen Depressionen, Psychosen, Demenz, Glaukom und Darmerkrankungen vor“, meint der Experte.14

 

CBD-Produkte in Deutschland – Legal erhältlich und wahrscheinlich wirkungslos

 

In Deutschland ist das Rauchen von Cannabisblüten und Hanfblättern nicht erlaubt. Der Kauf von CBD-Ölen, CBD-Kapseln und CBD-Tropfen hingegen ist als Nahrungsergänzungsmittel möglich. CBD-Produkte enthalten Cannabidiole, kurz CBD. Cannabidiole sind Hanföle aus weiblichen Hanfpflanzen. Durch bestimmte Anbautechniken enthält das Hanföl hauptsächlich Cannabidiol (CBD) und nur einen minimalen Anteil von unter 0,2 Prozent des high-machenden Tetrahydrocannabinol (THC). Mit dieser geringen THC-Konzentration ist keine psychotrope oder medizinische Wirkung auf Nutzer zu erwarten.

 

Daher sind Cannabisöle dieser Zusammensetzung laut einer EU-Richtlinie frei konsumierbar. Öle, Kapseln, Tees, Kekse und Tropfen mit CBD dieser Zusammensetzung dürfen legal gegessen oder anders genutzt werden. Viele Menschen versprechen sich von ihnen, der minimalen THC-Konzentration zum Trotz, einen therapeutischen Nutzen – sei es als Schmerzmittel, Angstlöser, Schlafmittel oder Antidepressivum. Im Oktober 2018 sagte Professor Glaeske gegenüber apomio zur erwartbaren Wirkung von CBD-Produkten: „CBD-Öle ohne THC haben keine euphorisierende Wirkung, sie lindern lediglich Schmerzen.“15 

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Maria Köpf
Autor: Maria Köpf

Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.

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