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Gesundheitsappgesetz: Ärzte sollen Apps verschreiben dürfen

Kommentar schreiben Montag, 18. November 2019

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) setzt mit dem Digitalen-Versorgungs-Gesetz (DVG) auf digitale Innovationen. Dafür hat nun auch der Bundestag am 7. November 2019 das neue „Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation“ beschlossen. Zum geplanten Gesetz sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in einer Presseerklärung: „Ich bin sicher, der Arzt von morgen wird immer noch einen Arzt brauchen, aber er wird keinen Arzt mehr nehmen, der noch mit Karteikarten arbeitet.“ 1

 

Was verschriebene Apps nutzen sollen

 

Wie sehr digitale Vernetzungsformen auch der Gesundheit dienlich sind, ist vielen Bürgern längst bewusst. Bereits heute nutzen viele Deutsche sogenannten „Wearables“, die als schwarze oder farbige Fitnessarmbänder die Schrittzahlen, Schlafdauer oder Blutdruckdaten des Patienten an Gesundheitsapps wie die „My Fit App“ vermitteln. Einige nutzen derartige Gesundheitsapps bereits mehrmals täglich. Nun sollen noch komplexere Gesundheitsapps, die beispielsweise die Blutzuckerwerte dokumentieren oder an Medikamente erinnern, künftig vom Arzt kostenfrei verschrieben werden. Das Prinzip funktioniert ähnlich wie bei der gesetzlichen Erstattung von Arzneimittelkosten: Zunächst wird die App vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf Tauglichkeit, Qualitätskriterien und Sicherheitsstandards wie den Datenschutz überprüft. Nachgewiesen werden muss vom Hersteller vorab, dass Patienten tatsächlich einen gesundheitlichen Mehrwert erfahren. Der GKV-Spitzenverband handelt anschließend mit den einzelnen App-Herstellern einen Preis für die Nutzung der App aus. Anschließend können Patienten diese für die Dauer eines Jahres kostenfrei nutzen. „Über die Verschreibung entscheidet der Arzt, wie bei einem Medikament oder einer Physiotherapie“ erläuterte Minister Jens Spahn in einem Interview mit dem Handelsblatt. 2

 

Umfangreiche App-Anwendungen vorhanden

 

Das Konzept, Apps einzusetzen, ist vielseitig für die Gesundheit nutzbar. Beispiele, wie Apps der Gesundheit dienen können, gibt es laut des amtierenden Bundesgesundheitsministers Jens Spahn viele: „Viele Apps richten sich an chronisch Kranke, die so im Alltag unterstützt werden. Zum Beispiel ein Diabetiker oder ein Patient mit Bluthochdruck. Daneben gibt es Apps zur Begleitung einer Psychotherapie oder zur Prävention von Krankheiten.“ 3 Die Idee ist nicht neu: Viele gesetzliche Krankenkassen bieten ihren Versicherten längst ein Icon für ihr Smartphone an, mit dem sie ihren Kalorienverbrauch prüfen oder ihre Ernährungsweise verbessern können. Andere Krankenkassen-Icons testen präventiv das Gehör der Nutzer oder motivieren sie, sich mehr zu bewegen. Die Barmer bietet ihren Patienten eigens die Bewegungs-App „Fit2go“ an, die AOK Hessen spornt mit der App „Gesund-Genießen“ zu nährwertbewusstem Einkaufen und freudvollem Kochen ein und die hkk übernimmt die für Tinnitus-Betroffene die Kosten für eine spezielle Musik-App, die schlechte Tonhöhen aus Lieblingssongs filtert. 4

 

Keine Sorge: „Nicht App statt Arzt, sondern Arzt und App“ (Spahn)

 

Es gibt Apps auf dem Markt, die bereits jetzt die ärztliche Diagnose übernehmen können. Eine dieser Diagnose-Apps heißt „Ada. Deine Gesundheitshelferin“ und wird in Deutschland von über einer Million Menschen genutzt. Sie wurde entwickelt, um gezielt eine Symptomanalyse durchzuführen, indem sie Fragen wie „Musst du häufig niesen?“ stellt und mithilfe künstlicher Intelligenz „tausende Symptome und Erkrankungen“ genau auswertet. 5 Allerdings nimmt das DVG Abstand von derartigen Diagnose-Apps . In den Worten von Jens Spahn treten „Apps nicht an die Stelle von Medikamenten oder ärztlichen Ratschlägen, sondern unterstützen sie.“ 3 Das betonte Spahn mehrmals in Presseerklärungen sowie Interviews: „Nicht App statt Arzt, sondern Arzt und App.“ 3, 6  Den Ausschluss von Diagnose-Apps bei der gesetzlichen App-Förderung kritisieren dagegen Unternehmer aus dem Bereich Digital Health. Sie argumentieren, dass Patienten durch einschlägige Diagnose-Apps gezielt bei Entscheidungen unterstützt würden und dadurch auch Arztbesuche und Gesundheitskosten vermieden werden können. Dem hielt Spahn in einem kürzlichen Interview mit dem Handelsblatt entgegen, dass für einzelne App-Anbieter bereits Möglichkeit bestehe mit Krankenkassen einzelne Verträge abzuschließen, falls diese die App als hilfreich einschätzen. Außerdem sei geplant, dass Krankenkassen „Diagnose-Apps“ in die elektronische Patientenakte integrieren können. Aus Sicht von Jens Spahn stehe die Ärzteschaft längst hinter diesem Projekt. 3

 

Problem: Wer füllt die elektronische Patientenakte?

 

Auf dem Weg zum Ziel, die digitale Vernetzung zwischen Arzt und Patient voranzubringen, liegen jedoch noch so einige hinderliche Stolpersteine. Diesbezüglich kritisierte etwa Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK, in einem Pressestatement vom 16. Oktober 2019: „Mit Blick auf die elektronische Patientenakte (ePA) wird die Digitalisierung aber nicht so weit vorangetrieben, wie es wünschenswert wäre. Damit die Versicherten von der ab 2021 verbindlich geplanten ePA wirklich profitieren, muss im nächsten Schritt geregelt werden, wie die Akte im Sinne der Patienten von den Ärzten mit Daten gefüllt wird. Denn ohne Datenaustausch zwischen Patient und Arzt entfaltet die Akte keinen wesentlichen Nutzen.“ 7 Dafür müsse das geplante Anschlussgesetz zur Umsetzung der elektronischen Patientenakte schnell auf den Weg gebracht werden. Ursprünglich hatte das DVG einen Passus vorgesehen, der die Ärzte dazu verpflichtete, die ePA mit Daten des Patienten zu füllen. Da dieser leider aus dem Kabinettsentwurf gestrichen wurde, ist nach wie vor fraglich, wie Ärzte diesen Meilenstein zur digitalen Informationsweitergabe umsetzen sollen.

 

Wie sicher sind digitale Versorgungsoptionen?

 

Damit Patientinnen und Patienten schnellstmöglich von innovativen Versorgungsansätzen profitieren können, wurde mit dem DVG der „Innovationsfond“ mit 200 Millionen Euro jährlich verlängert. Damit PatientInnen Angebote wie die ePatientenakte flächendeckend nutzen können, wurden Apotheken bis Ende September 2020 verpflichtet, sich an die Telematik-Infrastruktur (TI) anschließen zu lassen. Krankenhäuser müssen bis Januar 2021 mit der TI verknüpft sein. Da es sich bei Gesundheitsdaten stets um äußerst sensible und persönliche Informationen handelt, hat sich das Bundesgesundheitsministerium außerdem dazu entschlossen, ein eigenes Datenschutzgesetz für die elektronische Patientenakte vorzulegen. Zudem sollen Ärztinnen und Ärzte in Zukunft weniger Geld erhalten, wenn Sie Arztbriefe per Fax anstatt über den elektronischen Weg verschicken. „Das ist eine vielleicht im ersten Moment kleine, aber wichtige Regelung.“ Das mache letztlich in der Versorgung und in der Kommunikation einen Unterschied um Zettelwirtschaft und unnötige Zeitverzögerungen zu beenden, so die Erklärung Jens Spahns (CDU) in einer Presseerklärung. 8

 

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Maria Köpf
Autor: Maria Köpf

Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.

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