Globaler Trend Nachhaltigkeit: Wie stellen E-Commerce-Unternehmen die Weichen?
Unsere Welt soll eine grünere und fairere werden. Das zumindest fordern immer mehr deutsche Bundesbürger von Unternehmen. Ansatzpunkte gibt es viele, etwa im Bereich Logistik, responsible sourcing, nachhaltige Lieferketten und mehr. Sie verstehen nur Bahnhof? Dann lesen Sie im folgenden apomio-Beitrag mehr darüber, wie sich der Nachhaltigkeitstrend im Bereich E-Commerce schrittweise umsetzen lässt.
Inhaltsverzeichnis
- Was bedeutet „nachhaltig“ eigentlich?
- Verbraucher fordern nachhaltige Lieferketten
- Nachhaltigkeit: Mehr Kosten, aber auch viele Vorteile
- So gehen Unternehmen vor
- CO2-Emissionen senken: Strom abschalten
- CO2-Fußabdruck minimieren: Hightech einsetzen
- Produktionsketten und Arbeitsbedingungen optimieren
- Retourenquoten reduzieren
- KI gegen Retouren einsetzen
- Auf die Einhaltung von Arbeitstandards achten
- Auf „Greenwashing“ verzichten
- Elektromüll korrekt entsorgen
Was bedeutet „nachhaltig“ eigentlich?
Schnell verwässert die Bedeutung eines Begriffs, wenn viele Menschen unterschiedliches damit meinen. Der Begriff Nachhaltigkeit stammt dem Duden zufolge eigentlich aus der Forstwirtschaft. Hier galt er als Prinzip, nicht mehr Holz zu fällen als nachwachsen kann.1 Im Zusammenhang mit der Wirtschaft geht es um das Prinzip der Ressourcennutzung. Ziel ist es, dauerhaft die Bedürfnisse von Mensch, Tier und Umwelt zu erfüllen, indem die Fähigkeit zur Herstellung des ursprünglichen Gleichgewichts genutzt wird. In jüngerer Zeit drückt der Begriff alltagssprachlich aus, dass etwas so verbraucht wird, dass es über längere Zeit bestehen oder nachwirken kann.2
Verbraucher fordern nachhaltige Lieferketten
Im August 2019 berichtete Handelsjournal.de von einer InRiver-Umfrage unter 1506 Onlinekäufern. Das Ergebnis: 68 Prozent der Befragten wenden sich von einer Firma ab, wenn fragwürdige Verfahren bekannt werden – wie die Vernichtung unverkaufter Waren, um durch Rabatte nicht die Exklusivität eines Produkts zu gefährden.3 Zur Studie sagte Steve Gershik, Chefmarketingmanager, gegenüber dem Handelsjournal: „Unsere Studie zeigt, dass das Thema Nachhaltigkeit viele Menschen in Deutschland beschäftigt.“4 Die seit rund zwei Jahrzehnten spürbare Entwicklung zur ökologischen und ethischen Achtsamkeit ist längst in Unternehmen und selbst in deutschen Behörden angekommen. Verbraucher fragen immer häufiger, unter welchen Arbeits- und Umweltbedingungen Rohstoffe produziert und Produkte hergestellt, geliefert und verkauft werden.
Nachhaltigkeit: Mehr Kosten, aber auch viele Vorteile
Auch der Naturkosmetiker Börlind beschäftigt sich dem Handelsblatt zufolge seit einiger Zeit verstärkt mit dem Thema Nachhaltigkeit.5 Investition in das eigene Produkt ist selbstverständlich teuer. Die zusätzlichen Kosten für recyclefähige Verpackungen aller Börlind-Kosmetika schätzt das Unternehmen auf 20 Prozent.6 Ein langer und vor allem teurer Weg. Aber er lohnt sich: Kunden, Investoren, einkaufende Unternehmen und Nachwuchskräfte interessieren sich dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zufolge verstärkt für faire, gerechte Lieferketten.7 Sie fragen dem Bundesministerium zufolge verstärkt nach, ob sich Unternehmen für Nachhaltigkeit und Menschenrechte im Sinne der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und des Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte einsetzen.8
Das muss dem Profit einer Firma keineswegs Abbruch tun. Unternehmen, die auf ethische und ökologische Lieferketten setzen, erwerben ein klares Differenzierungsmerkmal auf dem vielumkämpften Markt. Weitere Vorteile im Wettbewerb: Werden Ressourcen verantwortungsvoll gewonnen und verarbeitet, sinken Rohstoffrisiken.9 Die Zuverlässigkeit der Belieferung durch die Lieferanten steigt. Und der Ruf eines Unternehmers als Anbieter und Arbeitgeber verbessert sich. Diese Vorteile wirken sich letztlich auch auf den Umsatz aus.10
So gehen Unternehmen vor
Auf dem Weg zu einer faireren und grüneren Welt müssen Unternehmen zunächst die eigene Lieferkette überprüfen. Hierbei ist es anzuraten, einen Nachhaltigkeitsexperten oder gute Nachhaltigkeitsjournale – idealerweise mit Schwerpunkt Versandhandel – zu Rate zu ziehen. Diese können die Tragweite der internationalen Standards für Wirtschaft und Menschenrechte besser einschätzen. Dann wird systematisch analysiert: sowohl in Bezug auf Umwelt- als auch in Bezug auf Arbeitsaspekte. Letzteres sollte dem BMAS zufolge vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern genau unter die Lupe genommen werden.11 Anschließend werden klare Ziele formuliert, die Schritt für Schritt abgearbeitet werden. Konkrete Zielvorgaben könnten beispielsweise lauten:
- „Keine unrecyclebaren Verpackungen mehr bis zum Jahr 2026“
- „Keine unnötigen Umverpackungen mehr bis zum Jahr 2024“
- „Bei Neuanschaffung von Elektrogeräten auf CO2-Emmission achten und kompakte Multifunktionsgeräte bevorzugen“
- „Standbybetrieb von Geräten untersagen und unbenötigte Arbeitsgeräte über Wochenenden abschalten“
- „Halten meine Lieferanten die ILO-Kernarbeitsnormen ein?“
CO2-Emissionen senken: Strom abschalten
Wie bereits angedeutet kann nachhaltiges Handeln im Bereich E-Commerce beispielsweise so aussehen, dass Router, Drucker und anderes Equipment an Feiertagen und Wochenenden ausgeschaltet werden.12 Dies betrifft Arbeitsgeräte, die nicht zwingend benötigt werden. Dies spart Strom, verbessert den Ruf der Firma und fördert den Erhalt von Arbeitsplätzen. Prinzipiell zeigt der Onlinehandel bereits – verglichen mit dem stationären Handel – einen deutlich geringeren Verbrauch an Ressourcen. Beispielsweise können materielle Waren (Bücher, CDs, Zeitungen oder Videos) durch digitale Güter (Software und Links) ersetzt werden.13
CO2-Fußabdruck minimieren: Hightech einsetzen
Beim E-Handel werden weniger Waren auf Vorrat gehalten (on-demand-Produktion, Ressourcenschonung, weniger Lieferketten). Auch entfallen der Verkaufsraum und damit verbundene CO2-Emissionen (Beleuchtung, Geschäftsausstattung, Heizung). Das reduziert Verpackung und besonders den Transport. In der Folge sinken CO2-Emissionen rapide ab.14 Eine andere Frage sind Retouren, wie unten erläutert wird. Durch Digitalstrukturen, die Prozesse optimieren und die Produktion gezielter durchführen, können im E-Commerce immense Kosten eingespart werden. Etwa, indem Roboter bei der Produktion oder im Logistikbereich eingesetzt werden.15 Auch 3D-Drucker stellen eine exemplarische Investition dar. Doch machen diese Beispiele auch deutlich: Die hohen Initialkosten für Roboter, Kommissioner und ähnliches dürfen nicht unterschätzt werden.16
Produktionsketten und Arbeitsbedingungen optimieren
Unternehmen, die Prozesse optimieren, handeln automatisch ökologisch und ethisch betrachtet umsichtig. Sie optimieren Produktions- und Lieferketten und verbrauchen dadurch weniger Verpackungen, Druckertinte, Rohstoffe, Strom uvm. Das spart CO2-Emissionen und fördert die Luft- und Wasserqualität. Doch Prozesse wie die Produktion von Arznei- und Wirkstoffen kosten nicht nur Geld. In den Arbeitsprozess eingebundene Mitarbeiter opfern im schlimmsten Fall ihre physische und psychische Gesundheit. Wer das Wohl seiner Mitarbeiter in den „Workflow“ einbindet, wirtschaftet nachhaltig.
Faire Teambedingungen bringen mehrere Vorteile mit sich: Wer hierin investiert, erntet in der Regel mehr Motivation, höhere Arbeitseffizienz und weniger Produktionsausfälle, Krankschreibungen, Kündigungen oder Lohnausgaben.17 Die Möglichkeit zur anonymen Bewertung von Arbeitgebern kann soziale Strukturen in Unternehmen verbessern. Und der vermehrte Einsatz von Maschinen in der Lagerlogistik oder von Automatisierungsprozessen in der Logistik helfen, die physischen und psychischen Kräfte von Arbeitnehmern zu schützen.18
Retourenquoten reduzieren
Ein weiteres wichtiges Thema im Onlinehandel stellt generell die „Retourenvernichtung“ von Gütern dar. Erst im Februar hat die Bundesregierung ein Gesetz beschlossen, dass das Wegwerfen zurückgesandter Ware nur noch in Ausnahmefällen erlaubt.19 Für den Händler gilt mit dem Gesetz eine „Obhutspflicht“ für seine Waren. Das betrifft den Handel mit Arzneimitteln und Medizinprodukten freilich nicht so stark wie etwa den Elektrohandel. Arzneimittel müssen stets über lückenlose und einwandfreie Lagerungs- und Lieferbedingungen verfügen. Einmal verkauft, dürfen Onlineapotheken selbst ungeöffnete Schmerzsalben oder Allergietabletten nach ihrer Rückgabe nicht mehr an andere Kunden verkaufen.
Denn wer gewährleistet in einem solchen Falle, dass die Tube oder Tablette nicht fälschlicherweise im Tiefkühlschrank oder auf der Heizung gelagert wurde – und die Qualität des Wirkstoffs nicht verändert wurde? Anders kann es hier jedoch bei Medizinprodukten wie Verbandsstoffen aussehen, bei denen Umverpackung und Inhalt unbeschädigt sind.20
KI gegen Retouren einsetzen
Für Onlinehändler ist es sicherlich auch ein finanzieller Eigengewinn, eine hohe Zahl an Retouren zu minimieren. Die Lösung könnten möglicherweise KI-Systeme von IT-Firmen wie IBM bieten.21 Selbstlernende Systeme sollen bereits auf dem Onlinemarktplatz vorhersagen, welche Artikel der Kunde zurücksenden wird. Aus bisherigen Einkäufen werden Muster für zukünftige Kaufprozesse abgeleitet. So können Warenbestand und Verkaufsprozesse optimiert werden, die Retouren von vornherein vermeiden. Auch präzise Produktbeschreibungen, Kundenbewertungen und Bilder können die Wahrscheinlichkeit minimieren, dass Kunden Ware später zurücksendet.
Auf die Einhaltung von Arbeitstandards achten
Der E-Commerce kann Transparenz in Hinsicht auf ethische Arbeitsstandards fördern. Produkt- und Herstellungsprozesse sind rascher und umfassender über das Internet erhältlich als im üblichen Handel. E-Unternehmen sind stark gefordert, sich über Zulieferer und Produzenten zu informieren. Das ist der Aspekt, der mit dem Begriff „responsible sourcing“ angesprochen wird. Damit sind aber auch Kosten verbunden. Händler müssen hinterfragen, ob ihre Produzenten nach geltenden Umweltstandards oder ethischen Sozialstandards arbeiten und gegebenenfalls teurer einkaufen. Jeder Kunde, jedes Unternehmen besitzt im Prinzip eine Hebelwirkung und muss sich dessen nur bewusst sein. Fordert ein Kunde von einem Unternehmen Transparenz mittels Kommentar, Empfehlung, Nachricht oder durch Eingaben in die Suchfunktion ein, hinterlässt dies Spuren. Konsumenten können direkt vor einem Kauf online recherchieren oder sich Medienberichte oder NGO-Nachrichten durchlesen. Ein solches Verhalten fördert, dass sich ökologisches und soziales Handeln durchsetzt.
Auf „Greenwashing“ verzichten
Erst kürzlich verkündete eine bekannte Versandapotheke, dass sie sich nun den zehn Nachhaltigkeitsprinzipien des UN Global Compact Netzwerks verpflichtet habe. Fortan wolle sie sich Standards zu Umwelt, Arbeit, Menschenrechten und Korruptionskontrolle beugen und habe bereits seit der Gründung verantwortlich gehandelt: „Seit über X Jahren übernimmt Versandapotheke Y Verantwortung in Fragen der unternehmerischen Nachhaltigkeit. Dieses Engagement untermauern wir nun mit unserem Beitritt“. Ein solches Marketingmittel ist in den kommenden Jahren mit viel Fingerspitzengefühl zu betreiben. Kunden merken sehr schnell, ob bei einem Produkt „Greenwashing“ betrieben wird. Sprich: Ob ein Produkt oder ein Unternehmen nur grün und nachhaltig „geredet wird“, um einen höheren Kaufreiz zu schaffen. Hier gilt es wie im alltäglichen Leben authentisch zu bleiben. Eine einmal eingeschlagenes Geschäftslinie lässt sich im Internet gnadenlos jahrelang zurückverfolgen. Doch wenn sich Firmen tatsächlich für eine nachhaltige Strategie entscheiden, sollten sie auch dabeibleiben. Diese lässt sich dann gerne als Mittel einsetzen, den guten Ruf zu verbessern.
Elektromüll korrekt entsorgen
Dem geringeren Ressourcenverbrauch im Bereich E-Commerce steht derzeit noch der erhöhte Bedarf an Elektrogeräten gegenüber. Diese haben kürzere Innovationszyklen. Hier stellt sich regelmäßig die Frage: Wohin mit veralteten Computern, Druckern oder Smartphones? Zwar muss Elektroausstattung laut Gesetz gesammelt und auf Funktionstüchtigkeit geprüft werden. Schließlich enthalten viele Geräte Rohstoffe wie Metall, Silber, Palladium, Gold, Kupfer, die wertvoll sind und wiederverwertet werden sollten.22
Doch nur ein Drittel landet zur Verwertung ordnungsgemäß wieder auf Recyclinghöfen oder beim Hersteller.23 6 Millionen Tonnen werden in Deutschland jährlich im Hausmüll entsorgt oder hochgiftiger Elektromüll illegal in afrikanische Länder oder China exportiert. Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer: Langfristig geht die Entwicklung hin zu weniger Geräten. Ein Apparat wird häufig zum Multifunktionskönner. Auch entstehen neue Share-Economy-Ansätze, sodass Hardware wechselnde Besitzer hat.
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Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.