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Lieferengpässe in Deutschland: So will die Politik dagegen vorgehen

Kommentar schreiben Dienstag, 17. Dezember 2019

Lieferengpässe sind längst kein Schreckgespenst mehr, das als gelegentliches „Auffliegen“ von Qualitätsmängeln etwaiger Billigwirkstoffen aus dem Ausland abzutun wäre. Erst kürzlich schlugen Apothekerverbände und die Ärzteschaft Alarm. Sie forderten von der Politik nachhaltige Maßnahmen, damit Patienten hierzulande wieder genügend Medikamente und Impfstoffe zur Verfügung stehen. Das Bundesgesundheitsministerium lenkt ein und legt nun seine politische Strategie dar.

Apothekerschaft fordert zügiges Umdenken der Politik

Friedemann Schmidt, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), betonte in einer Stellungnahme vom 26. November die Dringlichkeit eines sofortigen Handelns der Politik in Bezug auf zunehmende Lieferschwierigkeiten: „Die Lieferengpässe in den Apotheken nehmen immer größere Ausmaße an“, warnte Schmidt vergangenen Monat und ergänzte: „Problematisch sind aus Sicht deutscher Apotheken und Ärzte die möglichen Auswirkungen auf die Compliance der Patienten: Wenn Patienten mit ständig wechselnden Präparaten konfrontiert oder auf einen anderen Wirkstoff umgestellt werden müssen, führt das zu großer Verunsicherung und kann das Therapieergebnis verschlechtern.“1

8-Punkte-Katalog der ABDA

Die Apothekervereinigung fordert aus diesem Grund einen „8-Punkte-Katalog“ für ein sofortiges Umdenken der Politik und Wirtschaft in Deutschland. Eine zentrale Forderung betrifft insbesondere die mittel- und langfristige Standortförderung von Pharmaunternehmen in Europa. Die Politik müsse wieder die Rahmenbedingungen schaffen, damit die Wirkstoffproduktion verstärkt in Europa statt wie in den letzten Jahren im Ausland stattfindet.

Global ist seit längerem der Trend erkennbar, die Wirkstofffertigung aus Kostengründen in wenige Firmen in fernöstlichen Ländern zu verlagern. Beispielsweise werden Schmerzmittel und Antibiotika häufig in Indien oder China hergestellt. Auch der Kostendruck hinsichtlich staatlich und gesellschaftlich geforderter Einsparziele habe auf dem Gesundheitsmarkt dazu geführt, dass wenige exklusive Rabattvertrags-Hersteller als Zulieferer fungieren und die Zahl in Deutschland verfügbarer Arzneimittel außerdem durch den wachsenden Export- und Importmarkt preisgünstiger Parallelimporte sank.1

Die Krankenkassen sollten der ABDA zufolge dafür gewonnen werden, mehrere Wirkstoffhersteller statt wie bislang nur drei als Rabattpartner zu verpflichten. Kritisch betrachtet die Apothekerschaft in diesem Zusammenhang die fehlende finanzielle Unterstützung für Mehrleistungen von Apotheken in Bezug auf die Patientenversorgung bei Lieferschwierigkeiten der Herstellerunternehmen.

Bundesgesundheitsministerium: Konkrete Pläne gegen Arzneimittelknappheit

Der Gesetzgeber will nun Abhilfe mit handfesten Maßnahmen auf internationaler Ebene schaffen. Laut Korrespondenz von Apomio mit dem Referat im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dafür sorgen, dass Patienten nicht mehr auf Arzneimittel warten müssen. Dies sei Ziel mehrerer Gesetzesinitiativen, die derzeit in der Koalition besprochen werden.

Dazu erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: „Arzneimittelversorgung ist Grundversorgung. Hier muss Staat funktionieren. Deshalb werden wir alles tun, um Lieferengpässe von Medikamenten künftig zu vermeiden. Deswegen wird der Bund bei der Verteilung von Medikamenten stärker eingreifen als bisher.“2 Lösungen sollen überwiegen auf internationaler Ebene gefunden werden. Dafür sollen Arzneimittel wieder vermehrt in Europa hergestellt werden.

5-Punkte-Plan des Bundesgesundheitsministeriums (BMG)

Laut eines Mitarbeiters des Pressereferats hat das Bundesgesundheitsministerium bereits fünf Punkte ausgearbeitet, die künftig verhindern sollen, dass Patienten von Arzneimittel- oder Impfstoffdefiziten gefährdet würden.2 Zunächst soll eine Meldepflicht für Pharmazeutische Unternehmen und Großhändler bei versorgungsrelevanten Medikamenten eingeführt werden – diese sollen Lagerbestand, Warenfluss und drohende Engpässe an die Bundesoberbehörde obligatorisch melden. Die Oberbehörde könne so koordinieren, wo Lieferengpässe drohen und Restbestände erhältlich seien.

Auch sollen Hersteller und Großhändler bald konkrete Vorgaben zur Lagerhaltung „versorgungskritischer Medikamente“ machen. Darüber hinaus könne die Kennzeichnungspflicht in Einzelfällen gelockert werden. Bislang werden in Deutschland nur solche Arzneimittel angewendet, die auch deutsch gekennzeichnet wurden. Wird die Bestimmung vereinfacht, können auch ausländisch gekennzeichnete Arzneimittel verwendet werden, deren Anwendung zuvor vom Arzt erklärt wurde.

Bald weniger Retaxationen aufgrund von Rabattbestimmungen?

Auch soll ein Beirat aller Gesundheitsakteure als „Jour Fixe“ eingerichtet werden, um gemeinsam mit Apothekern, Arzneimittelkommission, Herstellern und Fachgesellschaften die versorgungsrelevante Lage zu erörtern. Neben diesen Melde- und Kennzeichnungsänderungen propagiert das Bundesgesundheitsministerium eine wesentliche Änderung der Rabattartikelregelung. Statt wie bislang strikt besonders preisgünstige Arzneimittel abgegeben zu müssen, sollen Apotheker nach 24 Stunden auch alternative Arzneimittel abgeben dürfen, wenn Rabattarzneimittel nicht lieferbar sind.2

Nach wie vor: Lieferengpässe sind Apothekenalltag

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte veröffentlicht auf seiner Internetseite eine Liste gemeldeter Lieferengpässe. Aktuell sind demnach 274 Humanarzneimitteln in Deutschland mittel- oder langfristig nicht lieferbar.3 Angegeben werden öffentlich einsichtbar die Arzneimittelbezeichnung sowie der Beginn und das Ende des jeweils gemeldeten Lieferengpasses.

Dabei geht die Zahl der gelisteten Produkte zwar im Mittel zurück - im Juli 2018 waren vergleichsweise noch 479 Arzneimittel gemeldet – doch kann von Entwarnung vorerst keine Rede sein. Schließlich weist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nur Arzneimittel aus, die über mehrere Wochen hinaus nicht lieferbar sind. Medikamente mit Lieferschwierigkeiten von einigen Wochen, werden nicht genannt. Hier müssen Ärzte und Apotheker regelmäßig auf andere Packungsgrößen und Stärken ausweichen.

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Maria Köpf
Autor: Maria Köpf

Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.

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