MwSt, Festbetrag & Co: Viel Mehrarbeit ab 1.07. in Apotheken
Die Bundesregierung hat im Juni die befristete MwSt-Senkung zur Bewältigung der Coronakrise beschlossen. Ziel ist es, die Kaufkraft zu erhöhen und so die Konjunktur anzukurbeln. Für Apotheken kann dies mehr Kundschaft - aber auch eine Nervenbelastung bedeuten. Diese und weitere Änderungen im Überblick.
Das neue „Corona-Steuerhilfegesetz“ sieht vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020 niedrigere Umsatzsteuersätze (=Mehrwertsteuer) vor. Gesenkt wird der reguläre Umsatzsteuersatz von 19 auf 16 Prozent und der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 auf 5 Prozent. Das Bundesfinanzministerium hat dazu in einem FAQ verdeutlicht: „Die Händler und Dienstleister sollen die niedrigere Umsatzsteuer grundsätzlich an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben, so dass Waren und Dienstleistungen billiger werden. Die Unternehmen sind hierzu jedoch regelmäßig nicht verpflichtet.“1
Die Bundesregierung sei aber zuversichtlich, dass das Instrument letztlich an den Verbraucher weiteregegeben werde. Damit können die Senkungen sämtliche Lebensbereiche in Deutschland für ein halbes Jahr günstiger machen. Dies sei etwa der Fall bei Lebensmitteln, Bahntickets, Handwerkerleistungen oder Arzneimittelpreisen.2
Inhaltsverzeichnis
- MwSt-Senkungen: Apotheken ziehen mit
- Was bedeutet die MwSt-Senkung für die Apotheken?
- Ein Aushang reicht bei kompletter Preissenkung
- Treuhand Hannover warnt vor „Imageschaden“ bei Apotheken
- Neue Festpreise und Rabattvertragspartner
- Was ändert sich bei den FB- und RV-Änderungen?
MwSt-Senkungen: Apotheken ziehen mit
Der ABDA zufolge erhalten Patienten in deutschen Apotheken bis zum 31. Dezember rezeptpflichtige Medikamente automatisch zum gesenkten MwST-Preis von 16 Prozent. Hier seien für gesetzlich Versicherte durchaus Einsparungen bei der Zuzahlung möglich.
„Ein bisheriger Apothekenverkaufspreis (AVP) von 100,00 Euro würde auf 97,47 Euro sinken, so dass die gesetzliche 10-prozentige Zuzahlung von 10,00 Euro auf 9,75 Euro sinkt – der Patient spart also 25 Cent“, teilte die ABDA am 30. Juni mit.3 Bei den rezeptpflichtigen Produkten mit ihren bundesweiten Festpreisen sei die Anpassung für die Apothekensoftware glatt verlaufen. Für freiverkäufliche Apothekenprodukte, die keiner Preisbindung unterliegen, müsse jedoch der ABDA zufolge „jede Apotheke selbst entscheiden, wie sie die Steuersenkung umsetzt“, so die Pressemitteilung.4
Laut Anfrage von apomio bei der ABDA und dem BVDVA (Bundesverband Deutscher Versandapotheken), dürften jedoch nahezu alle Apotheken und deutschen Versender die MwSt-Senkungen auch im Freiwahlbereich weitergeben. Die Preisgestaltung bei Produkten, die Apotheken frei berechnen dürfen, obliegt jedoch den Apotheken selbst.5 Solche Preise lassen sich immer dann automatisiert umstellen, wenn eine Apotheke im Warenwirtschaftssystem den Steuersatz im Artikelstamm eines Präparats – in den dortigen Basisinformationen – verändern kann.6
Was bedeutet die MwSt-Senkung für die Apotheken?
Für Apotheken bedeutet die Gesetzesänderung in jedem Fall erheblichen Mehraufwand. Das Gesetz wurde vom Bundestag am 29.6. mit Wirkung zum 1.07. und somit quasi über Nacht beschlossen. Offene und geparkte Aufträge von vor dem 1.07. mussten entweder ausgeliefert oder aber storniert und mit neuem Datum angelegt werden.7 Zusätzlich müssen viele Preise in nächster Zeit neu kalkuliert, Papieretiketten oder Listen gedruckt und eingesetzt werden.
Eine Steuerberaterin der Treuhand Hannover bringt es in einem Gastbeitrag in der PZ so zum Ausdruck: „Grundsätzlich gilt: Eine EDV-technisch modern organisierte Apotheke mit guter Datenpflege wird mit der Umstellung der Mehrwertsteuersätze kaum Probleme haben. POR-Betriebe mit Papieretiketten, Handtaxation und Schreibmaschinenrechnungen hingegen müssen in den nächsten Wochen viel Zeit und Nerven investieren.“8
Bei der Abgabe von rezeptpflichtigen Arzneimitteln können Vor-Ort-Apotheken auf ihre Softwaretaxierung setzen. Sämtliche Senkungen werden automatisch angezeigt. Versandapotheken müssen die Änderungen über ihre IT-Abteilung eigens beauftragen. Ein gutes Haar in der Suppe: Für Arzneimittel und Freiwahlartikel müssen die Preise nicht über Nacht angepasst werden.
Ein Aushang reicht bei kompletter Preissenkung
Auf die Frage, ob alle Packungen nun neue Preisetiketten benötigen, fanden das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und die Treuhand Hannover eine einfache Ausnahmeregelung: Laut t § 9 Absatz 2 PAngV können Händler das Komplett- oder ein Teilsegment der Ware durch Werbung befristet bis zum 31.12.2020 mit Pauschalrabatt angeben. „Unter Werbung fiele in diesem Zusammenhang auch z.B. die örtliche Bekanntmachung durch einen Aushang in der Filiale, ein Banner auf der Website oder ein entsprechender Hinweis in Katalogen oder Prospekten“, so ein Schreiben des BMWi an die Preisbehörden der Länder.9
Treuhand Hannover warnt vor „Imageschaden“ bei Apotheken
Preisnachlässe seien dann bei transparenter Preiskommunikation (z.B. im Schaufenster) nicht einzeln mit geändertem Grundpreis und Gesamtpreis auszuweisen. Genaueres zu den Preisangaben für Händler während des „Corona-Steuerhilfegesetzes“ bis Januar finden sich auf der Seite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Die Treuhand Hannover wies im PZ-Gastbeitrag auch darauf hin, dass der Imageverlust für Apotheken hoch sei, wenn Apotheken die Senkung nicht weitergäben: „Es ist damit zu rechnen, dass Kunden vor allem bei Indikatorprodukten sehr preissensibel sind. Das Gerücht von den »Apothekenpreisen« dürfte sich sonst wieder verfestigen.“10
Neue Festpreise und Rabattvertragspartner
Neben Änderungen der Mehrwertsteuer in Apotheken, die rezeptpflichtige Arzneimittel preisgünstiger machen, müssen Patienten sich auf zwei unliebsame Änderungen einstellen: Zum einen ändern sich ab 1. Juli 2020 viele Festbeträge, zum anderen wurden neue Exklusivverträge für Rabattartikel geschlossen. Die neuen Exklusivverträge zwischen TK, KKH und einzelnen Krankenkassen im spectrumK-Verbund und bestimmten Herstellern treten zum 1. Juli in Kraft.11
Die Verträge bedeuten, dass Patienten automatisch Medikamente bestimmter Hersteller zugewiesen werden. Durch Rabattvertragsänderungen können sich laut ABDA Zuzahlungen, im günstigsten Falle aber auch zuzahlungsfreie Präparate ergeben.12 Auch geänderte Festbeträge könnten sich auf die Zuzahlung auswirken.13
Was ändert sich bei den FB- und RV-Änderungen?
Die Kassen bezahlen für bestimmte Arzneimittel nur bestimmte Maximalbeträge (=Festbeträge). Die Differenz zum Verkaufspreis muss in solchen Fällen der Patient selbst tragen. Es sei denn, dieser entscheidet sich für ein alternatives, gleichwertiges Arzneimittel ohne Aufpreis.14 Die ABDA teilt mit, dass vorrangig Protonenpumpenhemmer (Antazida/Antimagensäuremittel) und Cholesterinsenker vom Typ der Statine betroffen sind. Ihre Verordnungsstärke lag im Jahr 2018 der Bundesvereinigung zufolge zusammen bei 53 Millionen Packungen mit 1,3 Milliarden Euro Umsatz.15
Bei den geänderten Rabattverträgen erhält ein Patient zwar denselben Wirkstoff, allerdings von einem anderen Arzneimittelhersteller. In einigen Fällen ändert sich für den Kunden neben einer geänderten Wirkstofffreisetzung auch die Einnahmeform bezüglich diverser Parameter: Wirkstoffgrundlage (Tablette, Kapsel), Teilbarkeit (teilbar, unteilbar) oder der Geschmack (neutral, bitter) können je nach Hersteller voneinander abweichen. Dies kann in der Regel bei befürchteter Non-Compliance mittels Sonderkennzeichen vom Apotheker ausgeschlossen werden.
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Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.