© dolgachov - 123rf.com

Seit 9. April: Apotheken dürfen weitere Händedesinfektionsmittel herstellen

Kommentar schreiben Dienstag, 28. April 2020

Infolge des Coronavirus SARS-CoV-2 wurden in Deutschland Hände- und Flächendesinfektionsmittel schnell Mangelware. Insbesondere für Krankenhäuser, Pflegeheime und ambulante Praxen galt, dass die gesundheitliche Sicherheit der Bevölkerung bedroht war. Deshalb erließ die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Allgemeinverfügungen, um Apotheken und der Industrie das Bereitstellen von Desinfektionsmitteln im großen Stil zu ermöglichen.

 

Aufgrund der Lieferengpässe bei Händedesinfektionsmitteln ist es Apotheken seit 4. März erlaubt, diese selbst herstellen.1 Diese Mittel enthielten zunächst nur 2-propanolhaltige Händedesinfektionsmittel (=Isopropylalkohol) „zur Verwendung durch die breite Öffentlichkeit“. Neben Apotheken durfte auch die Industrie solche Mittel herstellen.

 

Am 9. April wurden die gelockerten Verfügungen vom März nochmals durch eine neue Ausnahmezulassung für Händedesinfektionsmittel ersetzt. Nach dieser neuen Zulassung, dürfen Apotheken zusätzlich 2-propanolhaltige und ethanolhaltige Produkte zur hygienischen Händedesinfektion für berufsmäßige Verwender und für private Verbraucher herstellen. Außerdem dürfen nun 1-propanolhaltige Biozidprodukte zur Händedesinfektion für berufsmäßige Verwender hergestellt werden.2 Die Verfügung ist bis zum 6. Oktober 2020 befristet.

 

Da sich zeigte, dass Flächendesinfektionmittel gerade in Kliniken, Pflegeheimen und Arztpraxen knapp wurden, musste gesetzlich nachgebessert werden.

 

Am 2. April erließ die Bundesstelle für Chemikalien daher eine zweite Verordnung, „zur Zulassung 2-propanolhaltiger, 1-propanolhaltiger und ethanolhaltiger Biozidprodukte zur hygienischen Flächendesinfektion“, die nur an „berufsmäßige Verwender“ abgegeben und nur von diesen verwendet werden dürfen.3 Diese Verfügung für berufsmäßige Verwender ist bis zum 8. September befristet.

 

Die Ausnahme gilt in Zeiten einer „Gefahr für die öffentliche Gesundheit“. Die Beschreibung „berufsmäßige Verwender“ für Flächendesinfektionsmittel richtet sich also explizit an Krankenhäuser, Arztpraxen, Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen im allgemeinen Gesundheitswesen, aber auch an Rathäuser und andere Einrichtungen der öffentlichen Versorgung.

 

Desinfektionsmittel mit Ethanol und Chloramin-T zur Flächendesinfektion dürfen von jedem Unternehmen – unabhängig vom Adressatenkreis der Verordnung, der sich nur auf berufsmäßige Verwender erstrecht – hergestellt und innerbetrieblich verwendet werden. 

 

Bedeutend für die breitflächige Herstellung von Desinfektionsmitteln in Apotheke und in der Industrie war, dass die Ausgangsstoffe keine Qualität nach Arzneibüchern mehr benötigen.  Daher war es wichtig, dass die Allgemeinverfügung in der EU-Biozidverordnung geregelt wurde. Ein zweiter Vorteil: Durch Verankerung in der Biozidverordnung dürfen größere Mengen hergestellt werden, als wenn die Mittel in Arzneimittelregelungen enthalten wären. 

 

Welche Inhaltsstoffe enthalten diese Desinfektionsmittel?

 

Zur Händedesinfektion dürfen die folgenden Rezepturen hergestellt werden (Allgemeinverfügung vom 9. April)4:

 

 

  • 2-Propanol-Händedesinfektion
    • 1. Rezeptur: 2-Propanol (Reinheit 99,8%) 75,15 ml, Wasserstoffperoxid 3%-ig 4,17 ml, Glycerol 98%-ig 1,45 ml, gereinigtes Wasser auf 100ml auffüllen
    • 2. Rezeptur: 2-Propanol (Reinheit 99,8%) 81,46 ml, Wasserstoffperoxid 3%-ig 4,17 ml, Glycerol 98%-ig 0,73 ml, gereinigtes Wasser auf 100ml auffüllen
    • 3. Rezeptur: 2-Propanol (Reinheit 99,8%) 70ml, gereinigtes Wasser 30ml
  • EthanolHändedesinfektion
    • 4. Rezeptur: Ethanol (Mindestreinheit 96%) 83,33 ml, 3% Wasserstoffperoxid in wässriger Lösung 4,17 ml, Glycerol der Reinheit 98% 1,45 ml, Gereinigtes Wasser auf 100,00 ml auffüllen
    • 5. Rezeptur: Ethanol (Mindestreinheit 96%) 89,06 ml, 3% Wasserstoffperoxid in wässriger Lösung 4,17 ml, Glycerol der Reinheit 98% 0,73 ml, Gereinigtes Wasser auf 100,00 ml auffüllen
    • 6. Rezeptur: Ethanol 70% (v/v): Ethanol (Mindestreinheit 96%) 72,91 ml, gereinigtes Wasser 27,19 ml
    • 7. Rezeptur: Ethanol 80% (v/v): Ethanol (Mindestreinheit 96%) 83,33 ml, gereinigtes Wasser 16,67 ml
  • 1-Propanol-Händedesinfektion (nur für Gesundheitsbereich, Pflegebereich, Rathäuser und Gesundheitsämter zugelassen)
    • 8. Rezeptur: 1-Propanol 70% (v/v): 1-Propanol (Reinheit 99,8%) 70 ml • gereinigtes Wasser 30 ml nur zur Abgabe an berufsmäßige Verwender

 

Zur Flächendesinfektion dürfen die folgenden Rezepturen hergestellt werden (Allgemeinverfügung vom 2. April)5:

 

  • Ethanol1 80 % (v/v) in wässriger Lösung zur Behandlung von Flächen bis 2 qm
  • 0,5 % (w/w)2 Natriumhypochlorit3 in wässriger Lösung
  • 2,5 % (w/w) ChloraminT 5 in wässriger Lösung

 

Wie wirken die Mittel gegen Corona?

 

Das Coronavirus SARS-CoV-2 zählt zu den behüllten Viren. Um Coronaviren auf Händen und Oberflächen abzutöten, braucht man ein begrenzt viruzides Wirkspektrum. Desinfektionsmittel mit der Bezeichnung viruzid und viruzid plus können natürlich ebenfalls angewendet werden, da sie sowohl behüllte als auch äußerst stabile unbehüllte Viren wie Entero- oder Papillomaviren abtöten.6

 

Aufgrund der unterschiedlichen Einsatzzwecke sind die verschiedene Kontaktzeiten zu beachten.

 

Gemische aus Alkohol und Wasser sind zur hygienischen Händedesinfektion begrenzt viruzid wirksam, wenn sie mindestens 70-Volumenprozent Propanol (V/V) oder mindestens 80-Volumenprozent Ethanol (V/V) beinhalten. Inzwischen geht man jedoch auch davon aus, dass Coronaviren auf Händen mit Ethanol-Wasser-Gemischen mit mindestens 70 Volumenprozent Ethanol ausreichend abgetötet werden.7 

 

Allerdings müssen diese Desinfektionsmittel auf Händen mindestens mit 3ml Menge und mindestens mit einer Einwirkzeit von 30 Sekunden eingerieben werden. Die genauen Kontaktzeiten auf der Haut variieren aber bei den verschiedenen Formulierungen (8 Rezepturen) stark und können unter der folgenden Seite nachgelesen werden.

 

Die Rezepturen 1, 4 und 6 sind so anzuwenden, dass die Hände zweimal mit mindestens 3ml Lösung eingerieben und für 30 Sekunden feucht gehalten werden. Die restlichen Rezepturen benötigen nur einmaliges Verreiben von 3ml Flüssigkeit über eine halbe Minute.8

 

Zentrallabor: Ringversuch prüft Händedesinfektionsmittel

 

Apotheken können nun im Rahmen eines bundesweiten Ringversuchs ihre selbst hergestellten Händedesinfektionsmittel beim Zentrallabor (ZL-Zentrallabor Deutscher Apotheker GmbH) überprüfen lassen. Die Teilnahme an Ringversuchen ist nicht zwingend, wird aber für Apotheken im Rahmen einer einmal jährlichen Selbstüberprüfung empfohlen.

 

Für das Hygienemonitoring liegt der Anmeldeschluss für das Hygienemonitoring im Mai, zu erfragen bei Unsicherheit vorab unter: Tel. 06196 93750.

Geprüft wird zwischen März bis August 2020. Folgende durch Allgemeinverfügung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz zugelassene und von der WHO empfohlene zulassungsfreie Desinfektionsmittel können eingereicht werden:

 

- Ethanolische Händedesinfektionslösung (FIP-/WHO-Empfehlung)

- Ethanol (70 Vol.-%) zur Desinfektion SR

- Ethanol (80 Vol.-%) zur Desinfektion SR

- 2-Propanolische Händedesinfektionslösung (FIP-/WHO-Empfehlung)

- 2-Propanol-Wasser-Gemisch 70 % (V/V)

 

Die Zusammensetzung finden Apotheken im Rezepturfinder des DAC/NRF. Bei der Prüfung ist insgesonders der Prüfparameter der Dichte relevant.

Beiträge die Sie auch interessieren könnten

Maria Köpf
Autor: Maria Köpf

Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.

Schreib einen Kommentar

help
help
help

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Zu unseren Datenschutzbestimmungen.