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Versandapotheken-Studie: Marketing hopp, User-Lenkung und Content flopp!

Kommentar schreiben Dienstag, 23. Juli 2019

Der deutsche Arzneimittelversand legte in den letzten 15 Jahren konstant zu. Laut Angaben des Bundesverbands deutscher Versandapotheken verzeichneten Versandapotheken im Jahr 2018 einen OTC-Umsatzzuwachs von 8,1 Prozent. Für den Bereich rezeptpflichtiger Arzneimittel prognostizieren Experten bis ins Jahr 2021 einen Umsatzzuwachs von 2,9 Prozent. Doch sehen Branchenkenner noch immer Luft nach oben – und Verbesserungsbedarf an Stellschrauben, die das Beratung und Nutzerfreundlichkeit der Zielgruppe berücksichtigen.

 

Online-Apotheken: Marketing topp, User-Lenkung und Content flopp

 

Eine Studie der United Digital Group (UDG) im Juni 2018 ergab, dass die gemäß Statista stärksten 12 Online-Apotheken in technischer Hinsicht gut funktionieren. 11 von 12 der Online-Apotheken erzielten in technischer Hinsicht eine Bewertung von mehr als 80 Prozent. Demnach werde der Fokus bereits gut auf Faktoren wie die Suchmaschinen-Optimierung, Sichtbarkeit und Ladezeit gelegt. Anders hat sich die Lage im Juni letzten Jahres jedoch im Bereich Content gezeigt: „Nur drei der zwölf umsatzstärksten Online-Apotheken in Deutschland bieten auf ihren Webseiten sowohl ausreichend Produktinfos als auch ausführlichere zusätzliche Inhalte zu Gesundheitsthemen, um das Fehlen von persönlicher Beratung – wie sie die klassischen Apotheken im Gespräch mit ihren Kunden leisten können – auszugleichen.“

 

Content geschickt fördern: So geht's

 

Ein Experte der Resolution Media Köln GmbH gibt Online-Versandapotheken deshalb den Tipp, bewusst bei den Inhalten ihrer Webseite und ihrer Versandapotheke zu punkten: „In Bezug auf die Bereitstellung von Produktinformationen und Gesundheitsthemen sollte ein stärkerer Fokus auf Ausführlichkeit, Mehrwert und Expertise gelegt werden.“ Wie das geschieht, liefert der Analyst nach: Inhalte aus der Praxis von anerkannten Experten eines Gebiets bieten einen enormen Mehrwert. Hier ist besonders medizinischer und pharmazeutischer Inhalt vorstellbar, der den Kunden dort abholt, wo dieser steht – in seiner gesundheitlichen Notlage oder in seinem Wunsch, sich prophylaktisch vor einer Gesundheitsverschlechterung zu schützen.

 

Besonders fatal könne sich im Bereich Content jedoch besonders die Vernachlässigung der Beratung erweisen. Dieser klassische Marktvorteil der stationären Apotheken würde bedenkenlos vergeben, wenn Kunden nicht die Möglichkeit geboten werde, „offene Fragen schnell und unkompliziert per Chat zu klären“. Diese Möglichkeit würden bislang von den 12 untersuchten Webseiten nur die Doc Morris N.V. und apo-discounter.de bieten. https://www.udg.de/de-de/blog/2018/06/online-apotheken-vernachlaessigen-beratung-durch-content

 

User-Lenkung miteinbeziehen

 

Auch im Bereich User-Erfahrung sieht der SEO-Analyst dringenden Optimierungsbedarf. Die

Orientierung werde den Kunden  „mit optisch überladenen Seiten“ erschwert, indem die Handhabbarkeit und Nutzung bei 50 Prozent der Anbieter verbesserungswürdig wäre. Noch schlimmer zeige sich die Situation bei der sogenannten Überschriftensemantik. Oft würde die Reihenfolge von Haupt- und Nebenüberschriften nicht eingehalten und die Gliederung von Inhalten mithilfe von sinnvollen und semantisch korrekten Überschriften nicht eingehalten.

 

Wie wurde die SEO-Analyse konzipiert?

 

Gestaltet wurde UDG-Analyse derart, dass die objektiv auswertbaren SEO-Faktoren Mobiltauglichkeit, Ladezeit, URL-Design, Hauptüberschriften, Online-Verfügbarkeit oder vorgefundene Trust-Signale mit Punkten zwischen 1 bis 5 bewertet wurden. Die Faktoren wurden als unterschiedlich relevant gewichtet und dementsprechend berücksichtigt. Der SEO-Analyst erklärte dazu gegenüber apomio: „Je nach Relevanz eines Faktors wurde zudem eine unterschiedliche Gewichtung vorgenommen, die vereinfacht das Verhalten von Suchmaschinen-Algorithmen nachbilden sollte. Das jeweilige Abschneiden bei weniger relevante Faktoren wirkte sich also deutlich schwächer aus, als das jeweilige Abschneiden bei sehr relevanten Faktoren.“

 

Die Stimmung bei den Kunden ist gut

 

Dabei stellt sich die Zukunft des deutschen Versandhandels durchaus gut dar. Legt man die „jameda Patientenstudie 2019“ vom Bundesverband deutscher Versandapotheken (BVDVA) und vom Meinungsforschungsinstitut YouGov im März 2019 zugrunde, stehen Online- und Versandapotheken in Deutschland an Platz zwei der möglichen Einkaufsstätten für Medikamente – mit insgesamt 42 Prozent der Kunden! Demgegenüber gaben zwar 85 Prozent männlicher und weiblicher Teilnehmer des Panels an, an erster Stelle die Apotheke als Ort des Einkaufes zu wählen. https://www.bvdva.de/files/downloads/YG-Report-Monitor-Online-Health-fr-den-BVDVA.pdf Doch liegt die tatsächliche Nutzung von E-Rezept, E-Patientenakte und Online-Videosprechstunden noch weit hinter dem Wunsch, diese Optionen zu nutzen zurück. Hier besteht mit erwartbarer höherer Nutzung solcher digitaler Angebote also noch Potenzial nach oben.  Auch zeigte sich die Wahl des Einkaufsortes stark an das Alter und die Wohnsituation der Einkaufenden gebunden – vor allem 35- bis über 55-Jährige Bundesbürger aus eher ländlichen und vorstädtischen Gebieten favorisierten eine Online Versandapotheke. Die Zielgruppe dürfte mit der zunehmend alternden Gesellschaft in den nächsten Jahren zudem eine größere werden.

 

Barierren der Nutzer beim Arzneimittelversand

 

Als Barrieren beim Arzneimittelversand erwies sich in der jameda Patientenstudie 2019 die erhöhte Dringlichkeit eines Medikaments, das am besten sofort (erster Grund) und ohne komplizierten Rezeptversand (zweiter Grund) verfügbar sein sollte. Nicht zu vernachlässigen war auch die fehlende Beratung (dritter Grund), welche 25 Prozent der Befragten als Hemmschwelle für den Kauf über diesen Kanal angaben. Interessanterweise zeigte sich die Dringlichkeit als altersübergreifender Hauptgrund gegen den Arzneiversand. Abhilfe für diese Versand-Hemmschwelle kann die Einführung des E-Rezepts ab spätestens Frühjahr 2020 bedeuten. Denn insgesamt zeigte sich dieses Kaufsegment schon vor rund 3 Jahren motiviert und kaufstark. Rund 57 der befragten 1000 Teilnehmer gaben an ihre Medikamente 1-mal monatlich, rund 5 Prozent sogar, 1-mal wöchentlich zu bestellen.

 

Sicherlich können auch außerdeutsche Einflüsse einen nicht unbedeutenden Anteil an der guten Umsatzprognosen verzeichnen. Der Einfluss globaler Versandgiganten wie Amazon oder europäischer Versandapotheken wie der Versandapotheke Doc Morris ist nicht von der Hand zu weisen. Bei geschickter Nutzung der Kundenbindung durch gute Beratung und vertrauensbildenden Maßnahmen dürfte diese Gefahr jedoch minimierte werden.

 

 

Quellen:

SEO-Analyse der UDG United Digital Group:

https://www.udg.de/de-de/blog/2018/06/online-apotheken-vernachlaessigen-beratung-durch-content

Jameda-Patietenstudie 2019:

https://cdn3.jameda-elements.de/presse/patientenstudien/_uploads/anhaenge/patientenstudie_2019_1_mehr-online-kontakt_final-8826.pdf

Bundesverband Deutscher Versandapotheken zu statistischen Daten:

https://www.bvdva.de/daten-und-fakten .

ABDA zum Versandhandel mit Arzneimitteln:

https://www.abda.de/themen/recht/apotheken-wettbewerb/versandhandel/

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Maria Köpf
Autor: Maria Köpf

Frau Maria Köpf ist seit 2018 als freie Autorin für apomio tätig. Sie ist ausgebildete Pharmazeutisch-technische Assistentin und absolvierte ein Germanistik- und Judaistik-Studium an der FU Berlin. Inzwischen arbeitet Maria Köpf seit mehreren Jahren als freie Journalistin in den Bereichen Gesundheit, Medizin, Naturheilkunde und Ernährung. Mehr von ihr zu lesen: www.mariakoepf.com.

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